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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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einfach ins Haus. Die Türen waren nicht abgeschlossen, nu r beim jungen Giese, der in d er Pri maria die Landregister und den Metallkasten mit der Waisenkasse aufbewahrte. Das ungestüme Mädchen, da war man sich mit Daniel Freier einig, war an u nd für sich selbst schuld an sein em Loch im Mund. Wer eilig und gehetzt erledigen wollte, was mit Bedachtsamkeit besser ging, der musste mit den Folgen leben.
    Die drei Zinken von Tante Elses Kuchengabel bohrten sich durch Minnas Gaumen. Nur das gerundete, breite, silberne Ende ragte zwischen den geschlossenen Lippen aus ihrem Mund. Sie sah Lobgott an, erstaunt, reglos vor Schreck, und spürte, wie ihr Rachen sich mit Blut füllte, das sie nicht schlucken mochte, über die Lippen floss und auf den weißen Häkelkragen ihres Sonntagskleids und auf die Holzdielen tropfte.
    „Gott im Himmel ! “, r ief der Küsterlehrer und schlug die Tür zum Windfang zu , um die Schneeflocken nicht ins Haus zu lassen. „Mädchen!“
    Minna starrte ihm mit aufgerissenen Augen ins Gesicht.
    Rosie war nicht zu beruhigen. Sie bellte, fletschte ihre Zähne, sprang um den Küsterlehrer herum, obwohl sie ihn seit Jahren kannte, und schnappte nach seinen grauen, vom Fußmarsch durch den Schnee nassen Hosenbeinen. Mischka packte sie mit seinen großen Händen a m Nacken und zog sie in den Hof. Rosie biss um sich und winselte, bis Mischka sie vor ihrer Hütte angebunden hatte.
    Min n a kniete, Blasen aus Blut und Speichel auf ihrer Unterlippe, auf dem Dielenboden. Sie hielt sich mit den Händen an der geschnitzten Sitzbank im Flur fest, atmete schnell und laut. Sie schrie nicht, sagte nichts, weinte nicht.
    „Vadda, schnell“, rief Jakob, der in der Küchentür stand und das Blut auf Minnas Kinn u nd auf ihrem Kleid sah .
    Daniel Freier stand vom Tisch auf und ging in die Diele. Er nahm die Pfeife mit, die er rauchen wollte.
    „Tag, Lobgott.“
    „Tag, Freier“, sagte Lobgott leise, ohne ihn anzusehen. Er hockte vor Minna, hielt ihr vorsichtig den Kopf. Das Mädchen schüttelte ihre Hände, als schmerzte sie die Berührung.
    „Was hat er nun wieder mit meiner Tochter gemacht?“, rief der Vater.
    „Mensch, Freier, red nicht blöd daher… Siehst doch, was ist. Das Kind hat die ganze Ga bel verschluckt. Ersticken wird e s.“
    „Lobgott, red kein dummes Zeug .“
    Min n a sah ihren Vater an. Sie spürte keinen Schmerz im Gaumen, nur einen Druck, zu groß war die Überraschung, zu plötzlich war das Unglück geschehen. Aber dass der Küsterlehrer sagte, dass sie sterben müsste, ließ sie schneller atmen.
    „Kriegst du Luft, Kind?“, fragte der Vater.
    Minna nickte.
    „Kannst du schlucken?“
    „Ich... nnnh…“
    „Tu e s einfach.“
    „Nn.“
    „Siehst du. D ann ist es ja gut. So schnell erstickt e s sich nicht. Wenn du schlucken kannst, kriegst du auch Luft.“ Er hockte sich neben Lobgott. „Mach mal den Mund auf, Wilhelmina“, sagte Freier. Seine Tochter drehte den Kopf widerstrebend auf die Seite, besann sich dann aber eines Besseren und gehorchte. Sie öffnete ihre Lippen einen Spalt.
    „Zappel nicht so…“, sagte Freier. „Menschenskind, nun gib für eine Minute Ruhe und halt die Hände still. Da, nimm sie hinter den Rücken… Ich tu dir ja nichts, Mädchen. Ich fass dich gar nicht an… Zeig einmal her. Mach die Gosche richtig auf. Richtig weit aufmachen, hab e ich gesagt.“
    Lobgott und Freier sahen ihr gemeinsam in den blutigen Mund.
    „Ich kann nichts sehen“, sagte der Vater. „ Nur die gute Gabel. Verbogen hast du sie. Nimm d eine Zunge weg … runter sollst du die machen! Ja, so ist e s besser… Und sch luck das Zeug runter oder spuck e s aus – na, nu n sp uck’s halt aus, Mädchen, hast ja schon alles besudelt … Siehst du , das kommt dabei heraus, wenn man durchs Leben springen will , anstatt zu gehen wie ein normaler Mensch. Aber wirst sehen, auch das wird vorübergehen, gewiss, gewiss…“
    D er Vater streichelte ihre Wange . Dann zog er ohne Vorwarnung die Gabel mit einem Ruck aus ihrem Mund. Minna schrie, halb vor Schmerz, halb vor Empörung, und spuckte Blut. Sie begann zu husten.
    „Ach du meine Güte“, stöhnte Lobgott mit seltsam hoher Stimme. Er zog sein Taschentuch aus der Hose und versuchte , die Flecken auf dem Boden aufzuwischen. „So ein Unglück... So ein Unglück…“
    „Es ist nicht der Unte rgang der Christenheit, Lobgott. Das Kind ist doch noch jung. Das heilt alles wieder zu seiner Zeit. Wirst sehen, Minna, wenn du

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