Braeutigame
Köpfe der Kinder sind wichtig, nicht deine Gleise.“
„Meinetwegen. Aber lass mal die Nationalist en in Frieden. Ein Problem wird e s im Reich nämlich geben: Wenn die Österreicher da sind und die ander e n a uch alle kommen wollen, wird e s von der Maas b is an die Memel sicher eng werden. Muss man dann sehen, ob e s Platz genug gibt für alle.“
„Aber dass Österreich nun auch deutsch ist…“, sagte Walburga. Sie hielt eine gerupfte Ente an Hals und Keulen über die offene Oberglut im Herd. „Muss man sich mal vorstellen, die hatten doch einen eigenen Kaiser, einen großen Kaiser, und ein mächtiges Reich – mit den Ungarn und den Siebenbürgen und dem ganzen Balkan bis ran an den Türken, und jeden Krieg haben sie gewonnen. Und nun… ich weiß gar nicht, wie man sich das vorstellen muss. Wien ist dann auch deutsch, nicht?“
„So ist es“, sagte Elwira Dressner.
„Dieselbe Sprache, dieselbe Rasse“, sagte Irma Schilling. „Das ist richtig so. Da ist zusammengekommen, wa s schon immer zusammengehörte .“
„Mein Schwiegervater …“, sagte Walburga Giese. „W enn das so weitergeht, sagt er, werden wir hier auch noch mal alle deutsch, bevor Hitler fertig ist mit der Welt.“
„Aber was red e st du denn, liebe Walburga?“, rief Irma Schilling. „Wir sind doch deutsch. Wir sind schon immer deutsch gewesen.“
„Das lass mal nicht die Rumänen wissen“, sagte Walburga.
„Ja, ja“, seufzte Oma Mathilde auf ihrem Stuhl. „Gottes Mühlen mahlen langsam.“
Frau Schilling sah sie von der Seite an. „Ja und?“
„Ja.“
„Und was hat das mit den Österreichern zu tun, Oma?“
„Lass sie, Irma“, sagte Frau Giese leise.
„Ganz langsam“, sagte Oma Mathilde, „a ber trefflich fein.“
Irma Schilling kicherte in sich hinein . „Wladi!“, rief sie in den Hof. „Die Blasen! Lass die Blasen in Frieden, die Schweinsblasen darfst du nicht den Hunden geben, hörst!? Die musst du mir geben! Die sind für die Rasseln – verstehst du ? Für die Kinder, die. Die Babys. “
„Hier hast du !“, rief Wladi. Er warf ihr eine blutige, weiße Schweinsblase vor die Füße, die er aus dem dritten Schwein geschnitten hatte.
„Wenn du müde bist, setz dich auf den Schlitten da, Jakob“, sagte Minna, „und lauf uns nicht zwischen den Beinen rum. Setzen der Herr. Die Rosie kannst du mal am Hals festhalten oder anbinden , die macht mich ganz verrückt, wenn sie hier überall durchläuft und mit dem Schwanz wedelt . Und du, Lilli, gibst jetzt auch einmal Ruh e und hörst auf, die Federn zu pusten. Setz dich neben Jakob .“
„Oha. Nu n schaut, wer da kommt“, rief Walburga Giese. „Der Herr Doktor. Als könnt e der sich beim Schlachten nützlich machen.“
Heiterkeit.
„Prudöhl!“, rief Freier, der mit einem Beil die Rippen aus einer Schwein ehälfte schlug. „Wollen Sie uns ein Schwein schlachten mit Ihren kleinen Arztmessern?“
Prudöhl lachte. „Das überl ass ich Ihnen, Freier. Sind mehr als genug Leut e hier, wie es aussieht.“ Er grü ßte in die Runde. „Zur Schwiegermutter wollt e ich . N ur hätt e ich gewusst, dass ihr einen Klak habt, wäre ich nicht gekommen. Aber ich war in der Nähe, da dacht e ich, ich schau einmal rein. Wo ist Oma denn?“
Daniel Freier zeigte mit dem Kopf in die Küche. „Bei den Weibern.“
„ Aha. Dann schau ich schnell nach dem Rechten.“ Er nahm seine Tasche und ging in die Sommerküche.
„Guten Tag, die Damen“, sagte er und hob seinen Hut.
Die Frauen sahen auf und grüßten freundlich zurück.
„Wie geht e s uns heute, Mutter Jeschke? Was macht die Kraft im Leib?“
„Besser wird e s nicht“, sagte Oma Mathilde . „Aber dann – auch nicht schlechter.“
„So ist e s mit dem Zucker. Machen kann man da nichts. Ausruhen, viel sitzen… Aber ihr seid schließlich eine alte Frau geworden.“
Oma Mathilde band sich ihr schwarzes Kopftuch neu. „Wenn erst der Harn süß geworden ist…“, sagte sie.
„Dann?“
„Da mach ich mir keine falschen .. . Dann ist man dem Herrngott schon ein ganzes Stückchen näher gekommen.“
„Nur was Gott mit einem am Ende vorhat und plant, das weiß man eben erst am Ende, Frau Jeschke. Da hilft alles Grübeln und Denken nichts. Am Ende wird alles von höchster Stelle geregelt, und es kommt doch immer an ders, als wir uns das hier vorstellen .“
„Was reden Sie von Ende und Sterben ?“, fragte Daniel Freier, der i n die Küche kam. „Wollen Sie uns die Freud e am Schlachten
Weitere Kostenlose Bücher