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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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man e s nicht weiß.“
    Minna gluckste. „Die haben sich richtig Mühe gegeben “, rief sie. „Komm, Alma!“ Sie lief voraus und zog den Karren hinter sich her, auf dem die Werkzeuge klapperten.
    „Er liegt noch da “, rief Minna, als sie an der Mauer zum Vorga rten entlangliefen.
    „ Dann brauchen wir die Gabeln. E r sieht schwer aus. Oder weißt du was – das mach en wir mit den Händen. Lass den Karren auf der Zufahrt stehen. Wenn wir den Ballen in den Garten ziehen, geht uns das Kraut tot.“
    Die Mädchen gingen zum Windfang, stellten sich zu beiden Seiten des Ballens auf, beugten sich vor und sahen sich an, um das Stroh gleichzeitig anzuhe ben .
    „Ich zähl e bis drei“, sagte Alma. „Eins…“
    „Wart e“, sagte Minna. „Auf der Bank vorne liegt etwas . Siehst du den Stein in der Mitte? Und d as Papier? Das lag vorhin noch nicht da.“
    Alma lief vor und griff nach dem zugeklebten Umschlag, bevor Minna ihn ihr wegschnappen konnte.
    „Da hat e s aber eine eilig“, sagte Minna und suchte mit den Augen das Kuvert ab. „Steht ein Name drauf?“
    Alma nickte . „Ich glaub ich weiß, von wem der ist.“
    „Von meinem Attila?“
    „Ha!“, rief Alma überrascht. „Von deinem Attila? Habt ihr e s beim Melken und Käsen schon so weit gebracht!? Du machst mir Spaß, Minna! Dein Attila. Hast du Vater schon von deinem Attila erzählt?“
    Minna lief im Gesicht rot an. Sie ging vor zur Pforte.
    „Der Brief ist für mich “, rief Alma ihr trotzig hinterher.
    Minna drehte sich um. „Und ich weiß auch, von wem der ist“, rief sie wütend. „Es wissen alle , von wem der kommt, wem du schöne Augen machst im Dorf! Du kannst froh sein, dass Vater das Papi er nicht gefunden hat. Der hätte dir vielleicht was erzäh lt! Die Ohren lang gezogen hätte er dir.“
    Alma riss den Umschlag auf und las den kleinen, in der Mitte gefalt eten Zettel, der darin steckte. Das, was mit hellem Bleistift dort geschrieben stand, ließ ihr Herz schneller schlagen: ein Ort, eine Zeit, ein H.
     
    Alma richtete es so ein , dass sie rechtzeitig bei der Kanonenkugel sein würde. Nach dem Mittagessen am Sonnabend machte sie sich zu Fuß mit einem Rucksack und zwei Weidenkörben auf den Weg zum Baschtan. Es war ein milder Sommert ag mit einzelnen hohen W olken, nicht zu heiß, nicht zu windig, und sie sah , als sie nach einer Stunde ihr Gemüsefeld erreichte, kurz nach dem Rechten und leerte die Zieselmausfallen . Dann setzte sie sich hin , zog Schuhe un d Strümpfe aus und verstaute sie in ihrem Schultersack, bevor sie au f der Hügelkuppe weiterging.
    Wann immer sie am Wegrand einen Strauch mit Himbeeren oder Brombeeren sah , stellte sie sich barfuß ins Gras und pflückte alle Früchte, die sie erreichen konnte. Die Nüsse der Haseln, die zum Schäfertal hin am Straßenrand standen, w aren noch weich, mit grüne n , fransige n Blätter n, aber Alma nahm sie trotzdem mit , für die Schweine. Sie würde bis in den Herbst vielleicht nicht wieder an diese Stelle kommen.
    Am späten Nachmittag, als sie Körbe und Rucksack gefüllt hatte, zog sie ihre Schuhe wieder an und ging zu Fuß auf einem Feldweg nach Osten, wo nach weiteren vier Werst die Gemarkung Beresina begann. Auf halbem Weg lag ihr Treffpunkt, die Kanonenkugel, auf einem mit Steinen bedeckten Hügel . Sie sa h sie schon von weitem: Auf dem alten Tatarengrab standen Robinien, Ebereschen und – alles überragend – eine Kastanie.
    Alma blinzelte in die Sonne und schätzte die Uhrzeit. Die ersten Grillen hatten im Gestrüpp zu zirpen begonnen. Es war zwischen halb fünf und fünf , dachte sie, zu früh, aber es machte ihr nichts aus. Sie konn te sich noch ausruhen und an Heinrich denk en, der ihr gut gefiel, immer besser gefiel, so dass er ihr alle Gedanken durcheinander brachte.
    Sie stieg vorsichtig den Hang zur Kanonenkugel hoch, um die Beeren in den Körben nicht mit einer ungeschickten Bewegung auf den Boden zu stoßen. Zwei Rebhühner schossen gleichzeitig aus dem trockenen Gras und flogen in weitem Bogen auf die andere Sei te des Hügels. Alma musste ihrem Nest nahe gekommen sein.
    Unter der Kastanie holte sie Luft, stellte ihren Rucksack ab und setzte sich in den Schatten, den Rücken am Baumstamm . Alma lehnte ihren Kopf zurück. Sie spürte die harten Furchen der Borke in ihren Haaren. Über ihr schwankten die Äste der Kastanie im Wind und ließen die Blätter hin und her tanzen. Sie schloss die Augen und atmete den Duft ein. Sie kannte diese Stelle von

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