Braeutigame
Freier hatte nicht gelächelt, das lag ihm nicht, es wäre auch nicht korrekt gewesen. So hatten sie geheiratet, ohne Gefühl, zuerst. Er liebte damals nur die Pferde, die waren treu, gleich was kam. Vielleicht war am Ende nicht viel Herzensfreude gewesen zwischen ihnen. Aber sie hatten sich aneinander gewöhnt. Auch wenn Marga die Freude immer schwer gefallen war. Ja, es war eine schöne Feier gewesen dam als, und keiner hatte es bereut. Jedenfalls nicht wirklich – nie länger als für einige Tage. Es hatte sich alles zum Guten gewendet. Alma war neun Monate und drei Tage nach der Hochzeit auf die Welt gekommen, und das Fleisch… – ach, die Frau wusste wohl bis zum Schluss nicht, dass Gott ihr einen Leib gegeben hatte, der ein Geschenk für ihn – für ihren Mann – sein sollte. Das Fleisch – ja, fleischlich war es nie gewesen mit ihnen. Pflicht, darum ging es, um das Fruchtbarsein und Sichmehren. Das war Margas Wort gewesen: Es wäre ihre Pflicht. Und ihre Pflicht hatte sie immer getan, bis ganz zum Schluss, immer mit geschlossenen Augen. Die letzte Pflicht war Arthur gewesen, und der hatte sie ihm genommen.
Das war die alte Zeit, über die die jungen Leute nur noch lächelten. Selbst Fräulein Popesch mit ihren Handarbeiten glaubte, dass Ehen im Him mel gemacht wurden, nicht in der Küche . So waren die Ideen in der modernen Zeit. Und wo war nun Almas Bund geschlossen worden? Ein junger, schneidiger Bursche, aber so arm, so arm… so alles andere als reich, kaum ihr Auskommen hatten die Krafts , nicht mal einen anständigen Wagen .
Aus den Augenwinkeln sah er seine Kinder in einer Reihe neben sich sitzen. Minna trug ihre Haare hochgesteckt. Ein Kranz aus weißen Wicken lag auf Lillis Kopf, der sich halb aufgelöst hatte. Die Mädchen sahen glücklich aus, wenn sie sich ins Ohr flüsterten und tuschelten und kicherten, aufgeregt auch. Zwei oder drei Jahre noch, dann wäre die nächste soweit, wenn sie denn eine r würde haben wollen .
„ Amen “ , rief Pomreinke von de r Kanzel. „ Und nun “ – d er Pastor lächelte breit – „ wollen wir eine Darbietung unserer deutschländischen Gäste hören. Die jungen Leute… “
Freier wusste nichts von einer Darbietung, ab er es würde wohl Musik sein, dach te er. Seinetwegen mussten die das nicht tun . Gut, wenn es den Leuten gefiel … Wür den dann sicher alle ein Stück Streuselk uchen bekommen müssen, diese Deutschländer. Wieder ein paar Mäuler mehr, d ie zu stopfen waren. Sie nahmen es, wo sie e s kriegen konnten.
Zu siebt gingen sie nach vorn, die beiden Mädchen und fünf Jungen. Freier erkannte den großen, der Versicherungen verkaufte. Und wie sie aussahen, an einem Sonntag, zu Jubilate auch noch, am Hochzeitstag seiner Tochter… Drei der Burschen trugen kurze Lederhosen mit Trägern und gestreifte und karierte Hemden, und die Mädchen Röcke, viel zu kurze, weiße Röcke, kaum über die Knie reichte der Stoff. Englische Schirmkappen hatten zwei der Jungen auf dem Kopf, selbst in der Kirche, und die in den kurzen Hosen trugen Sandalen, durch die man die nackten Zehen sah. Dass sie sich nicht schämten. Aber – wenn man in Deutschland heutzutage so herumlief…!? Es war merkwürdig. Immerhin glänzten die Instrumente festlich, wie Gold. Drei Trompeten hatten sie, ein Horn, eine Tuba und zwei – ein Bursche und ein Mädchen – Zugposaunen. Ja, es klang gar nicht schlecht, was sie machten. Was war diese Melodie? Er kannte sie, aber er wusste nicht, woher. Ein Choral wa r es… – nein, jetzt hatte er es: E s war das Kaiserlied. Gott erhalte Franz den Kaiser , ja. Ein schönes Stück aus der alten Zeit.
Als sie ausgespielt hatten, gingen sie auf ihre Plätze in den hinteren Reihen zurück. Einige Gemeindeglieder räusperten sich, während Pomreinke nach vorne vor den Altar ging und Alma und Heinrich zu sich bat.
Hübsch sah sie aus, dachte Freier, in ihrem Kleid, mit dem Schleier. Sie hätte aber doch weiße Schuhe bekommen so llen. Diese schwarzen Klotzdinger – passte n nicht.
„Das war nicht schlecht“, flüsterte Alfred Ziegelmacher, der mit Lobgott auf der Orgelempore saß und über d ie Brüstung sah. „Besser mit den Instrumente n wie wenn sie den Mund aufmachen.“
Es kamen fast doppelt so viele, wie sie eingeladen hatten. Wenn sich einer ein Fest mit allem Drum und Dran leisten konnte, dann Daniel Freier an der Kälb er Drift, man brauchte also nicht scheu zu sein. Georg und Jakob hatten achtzig Gäste zur Hochzeit
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