Bragg 04 - Dunkles Verlangen
machen.«
»Gefällt dir die Kette etwa nicht?«, fragte er gekränkt.
»Sie ist wundervoll«, rief sie. »Aber das ist doch Irrsinn. Ich brauche nicht so viel Schmuck, und wenn du so weitermachst, bis du bald bankrott.«
Er warf den Kopf zurück und lachte. »Unsere Finanzen kannst du beruhigt mir überlassen, Jane. Dragmore steht nämlich prächtig da.«
»Bitte«, sagte sie, als er ihr den Stuhl zurechtrückte. »Bitte keine weiteren Geschenke.«
»Das kann ich dir nicht versprechen«, sagte er mit einem schelmischen Grinsen, und Jane wusste, dass sie schon verloren hatte. Sie überlegte, ob Molly Recht hatte. Ob er sie tatsächlich liebte.
Als er ihr Kaffee mit Sahne einschenkte, sah sie, dass er gerade einen Brief las. »Von wem ist der Brief, Nicholas?«
Sie spürte, wie seine sorglose Stimmung plötzlich verpuffte. Er entgegnete mit ernster Miene: »Von meinen Eltern. In Texas.«
Jane spürte, dass noch etwas fehlte, und verstand nicht recht. »Wie schön. Und was gibt es Neues?«
Auf seinen Lippen erschien ein Lächeln. »Sieht ganz danach aus, als ob mein Bruder schließlich doch noch in den Hafen der Ehe eingelaufen ist – und das ausgerechnet mit einer Suffragette. Er hat im Frühjahr geheiratet.«
Jane hatte schon bisweilen von Nicks jüngerem Bruder Rathe gehört. Sie wusste, dass er charmant, attraktiv und ein erfolgreicher Geschäftsmann und darüber hinaus ein großer Verehrer der Frauen war. Mit den Frauengeschichten war es jedoch jetzt offenbar vorbei. »Sicher eine hochromantische Geschichte«, sagte sie fast wehmütig. »Nach allem, was du mir erzählt hast, kann ich mir kaum vorstellen, dass er sich ausgerechnet in eine Frauenrechtlerin verknallt hat.«
Nick verzog das Gesicht. »Kann ich mir eigentlich auch nicht denken.« Dann schimpfte er: »Der kleine Mistkerl. Muss verdammt verliebt sein, dass er mir nicht mal selbst geschrieben hat.«
»Du liebst ihn sehr, nicht wahr?«, sagte Jane leise.
Die Wangen des Earls verfärbten sich. »Er ist doch mein Bruder«, sagte er heiser.
»Und deine Schwester? Ich meine die in San Francisco? Storm?«
»Glücklich verheiratet, zwei Kinder, gerade in ein größeres Haus gezogen.« Nick lächelte. »Bringt Brat vermutlich immer noch auf die Palme, weil sie so ein Wildfang ist.«
»Wildfang?«
Seine Stimme klang jetzt weicher. »Ja, sie war ganz schön temperamentvoll, Jane, und ziemlich dickköpfig. Ist mir bis heute ein Rätsel, wie aus ihr noch eine feine Dame geworden ist.«
»Du vermisst die beiden, nicht wahr?«
Er wich ihrem Blick aus.
»Warum fahren wir nicht einfach hin und besuchen sie?«
Der Earl blickte sie schweigend an. Doch Jane sah in seinen Augen etwas Dunkles, Gehetztes; schlimmer noch: Sie spürte es. »Möchtest du denn gar nicht, dass Chad seine Tante und seinen Onkel, seine Vettern und Cousinen und seine Großeltern endlich mal kennen lernt?«
Der Earl befingerte sein Messer und blickte auf den Tisch. »Doch.«
Jane schwieg. Wo lag das Problem? Sie wollte nicht in ihn dringen, noch nicht, dazu war ihre Beziehung noch zu neu. Doch sie spürte seine Sehnsucht und seine Verzweiflung, wusste instinktiv, dass tief in seinem Innern eine Wunde schwärte, die nicht heilen wollte.
Der Earl seufzte. »Ich habe auch schon daran gedacht, mit Chad nach Texas zu fahren. Texas ist genauso ein Teil von ihm wie Dragmore. Er sah Jane schmerzerfüllt an. »Schließlich bin ich dort geboren und aufgewachsen.«
Jane schwieg.
»Schon eine ganze Weile her«, sagte der Earl mit belegter Stimme. Jane wusste sofort, dass er von dem letzten Besuch bei seinen Eltern sprach.
»Geht es deinen Eltern gut?«
»Ja.« Er lächelte gerührt. »Sie möchten unbedingt, dass ich mal wieder nach Hause komme. Sie betteln schon seit Jahren, dass ich mich mal im Westen blicken lasse.«
»Klingt so, als ob sie dich sehr vermissen«, sagte Jane. »Und – würdest du gerne mal wieder hinfahren?«
Er zögerte kurz, drehte sich dann um und schaute durch das Fenster auf den makellos gepflegten Garten hinaus. »Ja. Nein.«
Jane nahm seine Hand. »Wann immer du reisen möchtest, ich bin bereit.«
Er sah sie lange dankbar und erleichtert an. »Danke.«
Kapitel 47
Abends stand der Earl dann auf der Schwelle von Janes Schlafzimmer. Sie saß lesend im Bett und erschien in ihrem hauchzarten französischen Negligee und mit ihrem herrlichen platinblonden Haar fast unwirklich schön. Sie hatte eine Lampe angelassen, deshalb war das Zimmer schwach
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