Bragg 04 - Dunkles Verlangen
konnte. Als sie den ganzen Wein ausgespuckt hatte, fing sie an zu schluchzen.
»Hast du Schmerzen?«, fragte er besorgt. »Soll ich dich wieder aufs Bett legen?«
Sie schüttelte nur schluchzend den Kopf.
Er trug sie vorsichtig zum Bett zurück. »Jane, nicht weinen«, murmelte er hilflos.
»Oh Gott, wie konnte ich mich nur so lächerlich machen …« Sie rollte sich auf den Bauch.
Sie wurde noch immer von einem Weinkrampf geschüttelt. Er wollte sie berühren, hatte aber Angst davor. Nicht weil er sie begehrte, dazu hatte er sich schon wieder zu gut unter Kontrolle. Sie war ja noch ein Kind – fast wie Chad. Er versuchte das Bild ihrer jungen, reifen Brüste, das immer wieder vor seinem inneren Auge auftauchte, wegzuschieben. Er legte seine zittrige Hand auf ihren Kopf und vergrub die Finger in ihrem vollen Haar. Das fühlte sich so unvorstellbar gut an, dass es ihm schier den Atem verschlug.
»Ach wie putzig«, sagte Amelia, die in der Tür stand, mit zusammengebissenen Zähnen.
Nick zog blitzschnell seine Hand zurück, als ob er sich verbrannt hätte. Dann stand er auf.
»Du wirst doch nicht etwa rot?«, sagte Amelia ungläubig.
Doch der Earl wusste, dass er tatsächlich errötet war. Er sah Jane an, die ihm jetzt den Rücken zukehrte, und sagte: »Ich sage Molly, dass sie dir etwas Wasser und Toast bringen soll. Du findest die Sachen dann neben dir auf dem Nachttisch. Nur für alle Fälle: falls du heute Nacht doch noch Hunger oder Durst bekommen solltest.«
Er bekam keine Antwort. Sie war bereits eingeschlafen. Der Earl drehte sich um und sah seine Mätresse an, die schon auf ihn wartete.
Kapitel 11
Jane fühlte sich hundeelend.
Sie hatte sich irgendwie aus dem Bett gequält und es sogar geschafft, sich anzukleiden. Es war kurz nach Mittag. Sie litt unter Kopfweh und Übelkeit und konnte sich – was noch viel schlimmer war – genau an alles erinnern, was am Vorabend passiert war. Ihr stiegen die Tränen in die Augen.
Wie ein Kind hatte sie sich ihm gegenüber verhalten.
Was für eine Demütigung.
Das purpurrote Kleid, in dem Sandra früher eine blendende Figur abgegeben hatte, lag auf der mit Chintz bezogenen Chaiselongue. Jane konnte es nicht mehr leiden. Sie war nicht wie ihre Mutter, sah nicht einmal aus wie ihre Mutter und würde auch nie wie ihre Mutter sein. Ihre Mutter war eine hinreißend schöne Frau gewesen und hatte eine wundervolle – weibliche! – Figur gehabt. Ihre Mutter hatte Hunderte von Verehrern gehabt, und alle hatten sie ihr zu Füßen gelegen. Ihre Mutter war eine berühmte Schauspielerin gewesen … Sie – Jane – dagegen war gar nichts.
Sie setzte sich auf die Chaiselongue. Nie würde sie den schadenfrohen Blick vergessen, mit dem Amelia sie bedacht hatte, als sie in dem Kleid ihrer Mutter unten im Esszimmer erschienen war. Schlimmer noch: Auch das entsetzte Gesicht, mit dem der Earl sie angesehen hatte, hatte sich ihrem Gedächtnis unauslöschlich eingeprägt. Und dann hatte sie sich auch noch in seinen Armen erbrochen!
Sie konnte und wollte ihn nicht sehen.
Jane schlich in den Kindertrakt, wo Chad und die Gouvernante Randall gerade zu Mittag aßen. Der Geruch des gebratenen Kabeljaus drehte ihr beinahe den Magen um. Chad sprang auf und begrüßte sie mit einem Freudengeheul. Jane gab ihm einen Klaps auf die Schulter. Sie konnte nichts essen. Sie brauchte unbedingt frische Luft.
Und dann wusste sie plötzlich, dass er in der Nähe war.
Sie brauchte sich nicht einmal nach der Tür umzudrehen, sie spürte einfach, dass er da war: So stark war seine Ausstrahlung. Sie hatte plötzlich Angst und wurde von einem undefinierbaren Gefühl überwältigt. Ihr Herz fing an zu rasen. Sie errötete. »Oh nein, warum ausgerechnet jetzt?«, stöhnte sie leise.
»Papa!«, kreischte Chad und rannte seinem Vater entgegen, der ihn hoch in die Luft hob.
»Wie geht es dir denn?«, fragte der Earl über die Schulter seines Sohnes hinweg.
Jane betrachtete ihre nervös zappelnden Hände. Sie flehte, er möge dieselbe Güte besitzen wie am Vorabend – und einfach wieder gehen. Sie blickte zu ihm auf. »Nicht der Rede wert.«
»Merkwürdig grün siehst du heute aus«, sagte der Earl.
Janes Magen rebellierte. Sie wusste ja, dass sie schrecklich aussah, aber musste er sich darüber auch noch lustig machen? Wieder war ihr zum Heulen zumute. Dabei weinte sie normalerweise fast nie. Was war nur mit ihr los?
»Papa, du hast versprochen, dass wir heute reiten gehen.«
»Ja,
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