Bragg 04 - Dunkles Verlangen
Blick, mit dem sie ihn ansah, nicht zu registrieren. »ja, das passt sehr gut.«
»Und wie wär’s mit dem Rot hier?«
Er betrachtete ein feuerrotes Kleid und verzog das Gesicht. »Nein, auf keinen Fall. Vielleicht das Weinrot. Aber kein leuchtendes Rot und auch kein Purpur.«
Während der folgenden Stunden wurde Jane von dem Schneider von oben bis unten vermessen. Nick ging währenddessen seiner Wege, doch der umwerfende Blick, mit dem sie ihn angesehen hatte, verfolgte ihn durch den ganzen Tag.
Die Anproben dauerten so lange, dass Jane erst verspätet zum Mittagessen erschien. Während man ihre Maße genommen und die verschiedenen Kleider abgesteckt hatte, hatten die Mitarbeiterinnen des Schneiders etliche bereits fertige Kleider und Kostüme gemäß den Wünschen des Earls abgeändert. Jane aß deshalb allein von dem inzwischen kalt gewordenen Brathühnchen, dazu nahm sie etwas Brunnenkressesalat. Als der Earl in Reithose und Stiefeln im Esszimmer erschien, machte ihr Herz einen Sprung. Sie blickte ihm mit einem scheuen Lächeln entgegen.
»Hast du Lust, noch ein bisschen im Park zu reiten, oder bist du schon zu müde?«, fragte er ganz direkt.
Jane wäre fast ohnmächtig geworden. »ja, gerne.«
»Ich bin drüben im Arbeitszimmer.«
Jane vergaß augenblicklich ihr Essen, rannte nach oben und zog sich dort mit bebenden Händen ein graues Reitkostüm an. Sie überlegte, ob sie dem Earl etwas davon sagen sollte, dass sie nicht reiten konnte, beschloss dann aber, besser zu schweigen. Andernfalls würde er nur seine Pläne ändern, und sie wollte lieber sterben, als die Gelegenheit zu verpassen, den Nachmittag mit ihm zu verbringen.
Jane fand das Pferd, das für sie bereitstand, ungewöhnlich groß. Sie inspizierte den Damensattel, dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen. Was zum Teufel! Schließlich war sie Schauspielerin, sie wusste doch genau, worauf es beim Reiten ankam, jeder wusste das. So schwierig konnte es nun auch wieder nicht sein.
Als sie schließlich oben saß, klammerte sie sich instinktiv fest. Der Earl befand sich jetzt hinter ihr und erklärte ihr, was sie tun und wie sie sich verhalten musste. Sie versuchte sich zu entspannen und locker zu bleiben. »Das Pferd ist ein Gentleman, also keine Sorge«, sagte der Earl und musterte sie aufmerksam. »Hast du Angst?«
Jane sah ihn strahlend an. »Natürlich nicht.«
Sein Gesicht entspannte sich wieder. »Na dann los.«
Jane holte tief Luft und stieß ihre Fersen in die Flanken des Grauschimmels. Sie war überrascht, als das Pferd einfach hinter dem braunen Jagdpferd herging, auf dem der Earl saß. Jane lächelte. Eigentlich gar nicht so schwierig, sogar ganz einfach.
Sie ritten im Schritttempo die New Road hinunter. Der Earl saß schweigend im Sattel, was Jane ganz recht war. Sie war nämlich voll und ganz davon in Anspruch genommen, sich an die leicht schaukelnde Bewegung des Pferdes unter sich zu gewöhnen. Außerdem musste sie erst noch lernen, das Tier mit Hilfe des Zügel zu lenken. Sie wusste, dass sie am rechten Zügel ziehen musste, wenn sie nach rechts abbiegen wollte, als sie jedoch einen zaghaften Versuch unternahm, erbrachte dies nicht das gewünschte Ergebnis. Glücklicherweise ging ihr Pferd unbeirrt hinter dem Earl her. Das war leichter, als das Tier zu lenken. Also begnügte sich Jane damit, hinter dem Braunen herzutrotten. Außerdem konnte sie den Earl unter diesen Umständen ganz offen betrachten, selbst wenn er ihr nur seinen breiten Rücken präsentierte.
Als sie in den Regents Park einbogen, sah Jane ein berittenes Paar, das ihnen entgegenkam. Die Frau trug ein rotes Samtkostüm und einen kunstvollen schwarzen Hut mit einem Schleier. Ihr Begleiter bot in seinen polierten Stiefeln, seiner Reithose und seinem grünen Jagdrock eine tadellose Erscheinung. Als sie auf gleicher Höhe angekommen waren, drehte Jane den Kopf und stellte fest, dass die beiden das gleiche taten und sie und den Earl ebenfalls beäugten. Kurz darauf begriff sie, dass die zwei nicht sie, sondern ausschließlich den Earl angafften. Er nickte höflich. Doch die beiden wandten sogleich den Kopf ab und würdigten ihn keines weiteren Blickes. Jane war empört. Sie öffnete bereits den Mund, um diesem Gefühl Ausdruck zu geben, doch dann sah sie Nicks wütendes Gesicht und schwieg lieber.
Eine Karriole fuhr vorbei. Jane sah im Innern des Wagens zwei Herren in Anzügen und eine Frau in einem Tweedkostüm. Alle beäugten sich gegenseitig – mit Ausnahme
Weitere Kostenlose Bücher