Bragg 04 - Dunkles Verlangen
verheiratet sein, der sie so tief verletzt hatte? Der sie wieder nur aus Pflicht heiraten würde? Die Antwort war ein klares Nein.
Aber da war ja auch noch Nicole. Was war für ihre kleine Tochter am besten? Auch Nicole konnte von einer Heirat eigentlich nicht profitieren. Schließlich hatte der Earl ja schon äußerst großzügig für sie gesorgt, bevor er auch nur etwas von ihrer Existenz geahnt hatte. Diese Zahlungen konnte er ja fortsetzen. Sie reagierte verärgert. »Nein.«
»Das war kein Antrag«, sagte er spöttisch. »Ich habe dir lediglich mitgeteilt, was wir tun werden.«
Sie war konsterniert über so viel Unverfrorenheit. -»Du kannst mich nicht zwingen, dich zu heiraten. Ich habe nicht den Wunsch, dich zu heiraten, ich habe es nicht nötig, dich zu heiraten, und ich werde dich auch nicht heiraten. Damit das klar ist.« Sie wandte sich zum Gehen.
Er streckte den Arm aus und stützte sich oberhalb ihrer Schulter mit der flachen Hand gegen die Tür, sodass sie den Raum nicht verlassen konnte. »Bitte nimm deine Hand von der Tür«, sagte sie ruhig, obwohl sie schon zu zittern und zu schwitzen anfing.
Er fasste sie an den Schultern und drehte sie herum. Sie war sprachlos vor Empörung. »Du hast gar keine andere Wahl. Betrachte es doch einmal von der positiven Seite: Schließlich ist es auch für Nicole am besten so.«
»Für Nicole am besten? Was soll das heißen: dass ich keine Wahl habe? Ich sage dir noch einmal: Ich weigere mich, dich zu heiraten«, brüllte sie.
Er sprach so leise, dass sie ihn fast nicht verstehen konnte. »Du scheinst vergessen zu haben, dass ich dein Beschützer bin, Jane, und dass du noch nicht volljährig bist. Wir heiraten nächste Woche.«
Allmählich dämmerte ihr, was er meinte. Sie stand da und blickte angewidert zu Boden. Er hatte die Absicht, sie zu heiraten, ob es ihr nun passte oder nicht – sie hatte keine andere Wahl.
Der Earl war nicht mehr da. Jane ließ sich – noch immer wie unter Schock – in einen Polstersessel fallen. Sie kannte den Earl inzwischen gut genug. Deshalb wusste sie: Wenn ihr Vormund die Macht dazu hatte, würde er sie heiraten, sofern er es wollte. Und er würde diese Absicht durchsetzen, egal, ob jemand dagegen Einwände erhob, egal, was es ihn kosten mochte. Sie war chancenlos.
Sie spürte die ersten Vorboten heftiger Kopfschmerzen. Sie rieb sich die Stirn und versuchte nachzudenken, sich über ihre Gefühle und darüber klar zu werden, was zu tun war.
So viel stand fest: Einmal hatte er sie schon zutiefst verletzt, der verdammte Mistkerl. Und gleichgültig war er ihr nicht, überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil: Zumindest körperlich fühlte sie sich von dem Mann angezogen. Und außerdem hatte sie zwischendurch immer wieder Mitleid mit ihm. Unter solchen Umständen mit ihm verheiratet zu sein – unerträglich. Wahrscheinlich würde er sie diesmal wieder genauso tief verletzen.
Sie gab sich Mühe, ihn zu hassen. Ohne Erfolg. Allerdings war sie wütend, sehr wütend sogar und frustriert
In diesem Wirrwarr gab es nur einen Lichtblick: Wenn sie – Jane – diesen Shelton heiratete, war Nicole die legitime Tochter des Earls von Dragmore. Vielleicht war das für ihre Tochter wirklich das Beste. Aber was sollte aus der Beziehung zwischen ihr selbst und dem Earl werden?
Plötzlich begriff Jane, welche Verpflichtungen sie mit einer solchen Heirat einging, und sie geriet in Panik.
Wenn sie den Earl heiratete, war sie seine Frau. Das hieß: Sie musste sich um Chad und Nicole kümmern, ihm das Haus besorgen und außerdem auch noch für ihn selbst da sein. Sie sah sich schon mit ihm in einem Bett liegen. Dann stand sie zitternd auf und ging nach oben.
Nach eigenem Bekunden wollte der Earl am folgenden Tag wiederkommen, um Nicole zu besuchen. So lange konnte sie nicht warten.
Jane zog sich um und fuhr direkt zum Tavistock Square. Sie war so tief in Gedanken, dass sie nicht einmal ein Lächeln für Thomas hatte, als er ihr die Tür öffnete und sie in das Morgenzimmer führte. Dort musste sie einige Minuten auf den Earl warten.
Sie ging unruhig in dem Raum auf und ab. Ihr Gesicht war vor Aufregung ganz gerötet. Sie hatte die Fäuste neben dem Körper geballt. Als die Tür aufging, drehte sich Jane nervös um. Der Earl lächelte. »Bist du so versessen darauf, mich zu sehen, dass du nicht bis morgen warten kannst?«
»›Versessen‹ ist das falsche Wort«, sagte sie kühl. Sie ging zur Tür und warf sie hinter ihm ins Schloss. Er
Weitere Kostenlose Bücher