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Brahmsrösi: Fellers zweiter Fall

Brahmsrösi: Fellers zweiter Fall

Titel: Brahmsrösi: Fellers zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Haenni
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seinen Kopf nach links gewendet. Mit gesenktem Blick mustert er die Trostlosigkeit einer Verkehrsampel. Heute hechelt die Drossel im Verkehrsstrom nach Frischluft und Widmanngeist. Die letzen Anhänger seiner schwindsüchtigen Fangemeinde laufen bei diesem Anblick blau an«, spottet mein respektloser Begleiter.
    »Die zahlreichen Tauben, die auf den Wasserbecken herum trippeln, wird’s nicht kümmern«, vermute ich.
    Er widerspricht: »Vielleicht doch. Spätestens wenn sie in den Abgasen nach Luft ringen und dabei unmerklich von Ringel- zu Ringtauben degenerieren.«

     

13

     
    Im Seefeldquartier duften die Gärten.
    Die alten Villen inmitten der gepflegten Anlagen hinter dem Hauptbahnhof bilden eine eigene, städtische Idylle. Zu jeder Jahreszeit schwebt hier eine andere olfaktorische Wolke zwischen den ehrwürdigen Gemäuern. Im Frühjahr liegt der schwere Duft von Flieder, Magnolien und Jasmin in der Luft. Im Sommer betört das reiche Duftbukett aus Rosen und Lavendel. Im Herbst stimmen gärendes Fallobst, modernde Blätter und wuchernde Pilze auf den Winter ein. Der anheimelnde Geruch verrußter Kamine und verwehter Schneeflocken bläst einem bis zum Frühjahr um die gerötete Nasenspitze. Jahrelang habe ich die Niesenstraße mit dem Fahrrad befahren, auf meinem Weg zum Bahnhof, als ich zuerst in Spiez das kantonale Lehrer- und Lehrerinnenseminar und danach in Bern die Uni besucht habe.
    Auf der Maur lässt mich nicht warten. Erwartungsvoll trete ich ein.
    »Guten Tag, Herr Feller. Das ging aber schnell. Ich habe Sie erst übermorgen erwartet.«
    Ich stimme zu. »Gestern schon konnten die letzten Zweifel ausgeräumt werden. Heute liegen die Fakten auf dem Tisch.«
    Der Brahmspräsi guckt erwartungsvoll.
    Ich lasse ihn zappeln.
    Wir setzen uns in den Salon. Auf der Maur bietet Tee an. Die Fenster stehen offen. Milde Windstöße lassen die Gardinen tanzen.
    »Nun, Herr Feller?«, drängt er.
    »Die Reise hat sich gelohnt«, verkünde ich mit vielsagendem Lächeln. »Ich habe mir meine Meinung gebildet.«
    »Das Resultat, Herr Feller, nur das Resultat«, fleht er mich an und fällt fast auf die Knie.
    »Positiv. Die Notenblätter dürften echt sein.«
    Auf der Maur lehnt sich erleichtert in die Kissen zurück. Er strahlt vor Freude. Diese Nachricht eröffnet eine glorreiche Zukunft. Kaum abzuschätzen, welchen materiellen und ideellen Gewinn sie der Brahmsgesellschaft zu versprechen vermag.
    »Da muss ich umgehend reagieren. Ich kaufe die beiden Sätze selbstverständlich. Ich werde gleich anschließend versuchen, den Anbieter zu kontaktieren. Darf ich Sie bitten, Herr Feller … Ich meine, brauchen Sie die Originale noch?«, fragt er.
    »Nein. Eigentlich nicht. Selbstverständlich gebe ich sie Ihnen umgehend zurück. Allerdings habe ich sie jetzt nicht dabei.«
    Verwundert hebt mein Gegenüber sein imposantes Haupt. Ich beichte ihm meine Sicherheitsbedenken und die Aufbewahrung bei Bernhard Bachmann.
    »Leider habe ich Bachmann noch nicht erreichen können. Ich werde es gleich anschließend erneut versuchen«, beschwichtige ich.
    Dem Brahmspräsi passt das nicht. Das sehe ich ihm an. Dennoch willigt er halbherzig ein. »Na gut. Bis heute Nachmittag?«
    »Einverstanden.«
    »Umso besser. Dem Jahrhunderthandel steht nichts mehr im Weg«, frohlockt er.
    Damit weckt er bei mir ungute Gefühle. Provoziert eilfertiger Optimismus nicht selten böse Überraschungen?

     

14
    »Wo er nur steckt?«
    Zum x-ten Mal wähle ich Bernhard Bachmanns Nummer. Erfolglos. Er hebt nicht ab. Eigenartig. Schließlich schiebe ich mir mein ferrarirotes Moped unter den Hintern und tuckere nach Oberhofen. Er wohnt an der oberen Stadelstraße im Längenschachen. Dort war ich schon öfters zu Besuch. Das einseitig angebaute Einfamilienhaus aus den 60ern klebt am Steilhang, der einen einzigartigen Blick über den See ermöglicht. Die markante Pyramide des Niesens bietet einen attraktiven Blickfang.
    Nach ein paar 100 Metern flotter Fahrt gerät das Vorderrad unverhofft ins Schlingern. Mich haut’s beinah auf den Latz. Ich stoppe am Straßenrand, steige vom Gefährt und kontrolliere das Rad. Es sitzt locker. Oder müsste man sagen gelockert? Von selbst hat es sich wohl kaum gelöst. Sabotage? Hat sich jemand einen üblen Scherz erlaubt? Werde ich jetzt auch in meiner Heimat verfolgt?
    Nachdem ich den Schaden notdürftig behoben habe, setze ich die Fahrt fort. Zum Glück habe ich ihn noch rechtzeitig bemerkt. Gott sei Dank hat sich die Panne

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