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Brahmsrösi: Fellers zweiter Fall

Brahmsrösi: Fellers zweiter Fall

Titel: Brahmsrösi: Fellers zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Haenni
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Konzert wird mit dem dritten Klavierquartett, Opus 60, in c-moll eröffnet. Darauf folgt die mit Spannung erwartete Violinsonate. Nach der Pause sollen abschließend die vier Sätze des ersten Klavierquartetts, Opus 25, in g-moll erklingen.
    Die Hausglocke hat erneut geschellt. Tomasz Wójcik ist eingetroffen. Mit entspannter Mimik steuert er auf mich zu. »Hallo, Herr Feller.«
    »Da wären wir wieder«, sage ich, ohne zu überlegen, was der Konjunktiv zu suggerieren hat.
    Er lächelt still und nickt.
    Lüthis betreten den Raum. Sie versprühen etwas Glamour inmitten der braun-beigen Gesellschaft. Marie-Josette stöckelt auf hohen Absätzen in den Raum. Die schlanke Brünette hat ihr langes Haar zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt. Ihr lilafarbenes, hautenges Sommerkleidchen weist auf Hüfthöhe einen geknoteten Stoffgürtel auf, dessen Enden bei jedem Schritt zur Seite schwingen. Große Ohrringe und eine ganze Batterie von goldenen Armreifen vermitteln den Eindruck südlicher Lebensfreude. Jüre sehe ich zum ersten Mal in einer eleganten, dunkelblauen Hose mit Bundfalten und schräg eingesetzten Taschen. Über dem schwarzen Ledergürtel bauscht sich ein blütenweißes Baumwollhemd, bis fast zur Mitte hinunter aufgeknöpft. Wie ein offenherziger Latinolover. Er reicht mir die Hand. Seine belgische Gattin küsst mich links, rechts und links auf die Wangen. Marie-Josette verströmt einen wundervoll blumigen Jasminduft. Erinnerungen an sorglose Ferientage in Nordafrika werden wach und an eine hartnäckige Diarrhöe. Stefan grüßt mit einem schelmischen »Hanspudi«. Dazu bleiben seine Hände in den Taschen der ewiggleichen Schlabberjeans wie eingenäht stecken.
    Frau Bornhaus hält sich in unsrer Nähe auf. Jetzt findet sie es für angebracht, mit abfälligem Seitenblick auf den Jungen die Bemerkung loszuwerden: »Das sind aber schöne Hosen!«
    Gewinnt man mit derartigem Gegacker junge Menschen für die klassische Musik? Muss sich die Jugend in Schale werfen, um als Brahmsküken akzeptiert zu werden? Ich strafe das alte Suppenhuhn mit einem abfälligen Blick.
    Dann erinnere ich meinen Assistenten an unseren Auftrag. »Jüre, es wäre sinnvoll, wenn wir uns für das Konzert im Raum verteilen. Ich habe soeben einen Anruf von Hauptmann Geissbühler erhalten. Er bittet uns, die Gäste zu beobachten, uns Auffälligkeiten zu merken und sie ihm anschließend zu rapportieren. Er selbst wird später zu uns stoßen.«
    »Auffälligkeiten? Was versteht er darunter?«, hakt Jüre nach.
    Frau Bornhaus hebt fragend den Kopf. Marie-Josette lächelt ihr zu, obschon ihr die Deutsche unbekannt sein muss. Beide Frauen schweigen. Stefan latscht davon.
    »Das hat er nicht präzisiert«, antworte ich ihm. »Offenbar vermutet er Bachmanns Mörder unter den Konzertbesuchern. Er hat jedenfalls eine entsprechende Andeutung gemacht.«
    »Das tun wir doch auch, Hanspudi. Darum sind wir heute anwesend, oder?«, erklärt mein Assistent.
    »Stimmt. Nur mit dem Unterschied, dass wir in erster Linie die Präsenz des Notendiebs annehmen. Dass Dieb und Mörder identisch sind, muss erst noch bewiesen werden«, entgegne ich.
    »Okay. Ich werde mich nach hinten in den Salon setzen.«
    »Ja, sehr gut, verschaffe dir einen Überblick«, pflichte ich Jüre bei. »Ich mische mich weiter vorn unter die Gäste.«
    Herr und Frau Bornhaus haben sich inzwischen lautlos entfernt. Da fällt es mir auf einmal wieder ein. Ihre Namen stehen in der Jubiläumsschrift auf der Gönnerliste der Brahmsgesellschaft Baden-Baden.
    Die Gäste nehmen die Plätze ein. Die Musiker begeben sich mit den Instrumenten vor das Auditorium. Zu meiner großen Freude steuert Ellen auf mich zu.
    »Hanspeter. Ist der Platz neben dir noch frei?«, fragt sie mit siegesgewissem Lächeln.
    Ich erhebe mich kurz. Einladend weise ich auf den Stuhl zu meiner Linken. Wenn mich Ellen nur nicht allzu sehr ablenkt. Ich darf den Hauptzweck meiner Anwesenheit keinesfalls aus den Augen verlieren.
    Auf der Maur pflanzt sich vor das Publikum und hält eine Rede. »Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Freunde. Ich begrüße Sie zum jährlichen Hauskonzert der Brahmsgesellschaft Thun. Schön, dass uns einmal mehr ein musikalischer Leckerbissen erwartet. Sie werden eine Art Uraufführung erleben. Längst hat sich herumgesprochen, dass heute Abend die Thuner-Sonate nach dem wiedergefunden Original aufgeführt werden soll. Was für eine Freude!, kann man da nur ausrufen.« Anschließend ändert sich sein

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