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Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel

Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel

Titel: Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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mit zitternden Knien auf dem Polster niederließ.
    »Wo ist Lisa?«, fragte der Mann. »Wieso hat die Polizei ihr Handy?« Er war mitten im Zimmer stehen geblieben, richtete seine Augen auf den Besucher. »Was ist mit ihr passiert? Halten Sie uns nicht länger hin, sagen Sie endlich, was Sie wissen.«
    Braig starrte zu ihm hoch, nickte zustimmend. »Darf ich fragen, wann Sie Ihre Tochter zum letzten Mal gesehen haben?«
    »Heute Mittag«, antwortete Haag. »Lisa kam heute morgen aus Tübingen. Sie will bis am Sonntag bei uns bleiben.«
    »Aber sie wollte sich mit einem Mann treffen. Ein Herr Meisner, wenn ich Ihre Frau am Telefon richtig verstanden habe.«
    »Das erzählte sie uns, ja.«
    »Sie kennen den Mann?«
    Sein Gesprächspartner schüttelte den Kopf. »Sie hat ihn heute zum ersten Mal erwähnt. Ein Bekannter, meinte sie. Um 16 Uhr an der Michaelskirche wollten sie sich treffen. Was ist mit Lisa? Ein Unfall?«
    »Ja«, sagte Braig, froh darüber, einen Einstieg in seine nur schwer vermittelbare Problematik gefunden zu haben, »so kann man das nennen. Sie ist es, ja?« Er deutete auf das Foto an der Wand, sah das heftige Nicken des Mannes.
    »Das sind Lisa und Andreas. Unsere Kinder.« Haag blieb stehen, fixierte Braig mit seinem Blick. »Wie geht es ihr? Ist sie schwer …«
    »Ja«, antwortete der Kommissar. »Es tut mir sehr leid, dass ich Ihnen keine andere Nachricht bringen kann. Sie hatte keine Chance.«
    »Sie ist …« Der Mann hielt mitten im Satz inne, sah, wie seine Frau auf dem Sofa zusammensackte. »Tot?«, fragte er dann. »Lisa ist tot?« Er sah Braigs zustimmende Kopfbewegung, eilte zu seiner Frau, kniete sich vor ihr nieder, drückte ihren Kopf an seine Brust.
    Ihr lautes Schluchzen erfüllte minutenlang den Raum.
    Braig starrte auf das Foto an der Wand, fühlte sich hundeelend. Die Schattenseiten seines Berufs – in Momenten wie diesen wurde er unmittelbar mit ihnen konfrontiert. Das junge, bildhübsche Mädchen mitten aus seinem jungen Leben gerissen – ein sinnloser, mit nichts, keinem einzigen ernst zu nehmenden Argument zu rechtfertigender Akt. Vor wenigen Jahren der Kindheit entsprungen, am Anfang des Weges zu einer selbst bestimmten Existenz, wie sollte man diesem unbarmherzigen Schicksalsschlag auch nur einen Hauch Verständnis abgewinnen?
    Er versuchte, die Gedanken um das Weshalb? und Wozu? erst gar nicht aufkommen zu lassen, weil er ihrer mühsamen, absolut sinnlosen Diskussion mit all ihren psychischen Belastungen schon allzu oft erlegen war, konzentrierte sich auf die beiden Fotos an der Wand. Zwei junge Menschen, beide um die Zwanzig, von den Gesichtszügen her unverkennbar Bruder und Schwester, mit großen blauen Augen, auffallend schmalem Profil und langen blonden Locken. Ein Altersunterschied war kaum zu erkennen, der junge Mann vielleicht ein, zwei Jahre jünger als seine Schwester – Braig war sich nicht sicher, genauso gut konnte es sich auch um zweieiige Zwillinge handeln. Beide lächelten versonnen, fast schon leicht entrückt in die Kamera, ein melancholischer Zug spielte um beider Lippen. Zwei Menschen von außergewöhnlicher Schönheit, war er sich bewusst, einer Schönheit allerdings, die nicht dieser allerorten in den Medien abgelichteten anbiedernden, bestimmte Körperteile mehr ent- als verhüllenden, mit unzähligen Make-up-Töpfen zurecht gekleisterten 08/15-Hollywood-Norm entsprach, sondern einem natürlich-unaufdringlichen, fast aristokratisch anmutenden Ideal.
    »Wo ist es passiert?«
    Braig schrak aus seinen Gedanken, sah die fragende Miene des Mannes. Haag hatte seiner Frau einen Stuhl zurechtgerückt, stand hoch erhoben neben ihr hinter dem Tisch.
    »Unterhalb der Comburg.«
    »Der Comburg? Was wollte sie dort?«
    »Wir wissen es nicht. Ich dachte, Sie …« Braig ließ seinen Blick von seinem Gegenüber zu dessen Frau schweifen.
    »Wir?« Haag schüttelte den Kopf. »Nein, wir können es Ihnen nicht sagen. Lisa wollte sich um 16 Uhr an der Michaelskirche mit diesem Meisner treffen. Bis gegen Abend, nicht länger. Meine Frau rief an, weil sie nichts von sich hören ließ. Aber da waren dann Sie am Apparat.«
    »Meisner. Sie wissen wirklich nicht, um wen es sich dabei handelt?«
    Der Mann schaute ratlos zu ihm her, warf dann einen Blick zu seiner Frau. »Sie hat nur den Namen erwähnt, sonst nichts, oder?«
    Sie zuckte mit der Schulter, blieb stumm.
    »Tut mir leid, wir kennen den Mann nicht. Ich habe seinen Namen heute zum ersten Mal gehört.

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