Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel
erinnert?«
Marlies Weller zögerte keine Sekunde mit ihrer Antwort. »Ich denke, das ist unnötige Arbeit.«
»Wieso? Die Frau zu finden …«
»Sie hat mit Karte bezahlt.«
»Nein!« Neundorf sprang von ihrem Bürostuhl auf, klatschte sich mit der rechten Hand auf ihr Bein. »Und Sie wissen genau, dass es sich um diese Frau handelt?«
»Ja, das steht außer Frage. Es war die junge Frau, die mit einem Mann, der sich die ganze Zeit im Hintergrund aufhielt, in den Laden kam und das erwähnte Buch kaufte. Und zwar direkt vor diesem Vorfall draußen auf der Straße.«
»Dann schicke ich Ihnen einen unserer Techniker, der sich um Ihre Kasse …«
»Das haben wir schon erledigt. Ich kann Ihnen die Kontonummer und die Bankleitzahl nennen, von der die achtundsiebzig Euro für den Band abgebucht werden.«
Neundorf glaubte zuerst, nicht richtig zu hören, bedankte sich dann für den Fleiß der Buchhändlerin und notierte sich die Daten. »Wir werden das sofort überprüfen. Herzlichen Dank.«
Sie informierte die Staatsanwaltschaft, ließ sich von Koch persönlich die Genehmigung geben, die Inhaberin des betreffenden Kontos zu ermitteln. Keine zwanzig Minuten später traf die Mail bei ihr ein. Dr. Manuel Riederich, Markgröningen.
15. Kapitel
Er war nicht immer so. Der Job, diese verrückten jungen Dinger haben ihn verändert. Vollkommen. Hätten Sie ihn vor zehn, zwölf Jahren kennengelernt, Sie wären bereit gewesen, jeden Eid darauf zu schwören, dass aus diesem freundlichen, zuvorkommenden Mann nicht ein solches Scheusal werden kann. Ein charmanter Sonnyboy, oh ja, Sie können mir glauben. Die offene, freundliche Art, ihretwegen habe ich mich mit ihm eingelassen. Und ich habe es nie bereut in den ersten Jahren. Wir hatten eine wunderbare Zeit miteinander, wirklich, das hat nichts mit Verklärung der Vergangenheit oder so zu tun, das ist echt. Nico, ja, ich habe ihn geliebt. Aber dann kamen all diese vielen von Ehrgeiz und der Sucht nach Aufmerksamkeit und einer glanzvollen Zukunft besessenen jungen Frauen. Er hat es nicht verkraftet, so umschwärmt zu werden, ständig im Mittelpunkt zu stehen. Der Herr über Sein oder Nichtsein, haben wir am Anfang noch gelästert. Aber das ist kein Klischee und keine Karikatur, nein, das ist blutiger Ernst. Er entscheidet wirklich zwischen Sein oder Nichtsein, jedenfalls in den Augen dieser jungen Dinger. Für sie gibt es keinen Mittelweg. Nur das eine Ziel: Rein ins grelle Licht der Kameras, her mit all dem Glanz und Glamour dieser Welt – jede andere Existenz ist sinnlos, absolut sinnlos, besitzt keinerlei Wert.«
Nadine Bihlmaier streichelte den getigerten Kater, der leise schnurrend auf ihrem Schoß lag und vor lauter Wonne alle Viere von sich streckte, sanft übers Fell. Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück, achtete darauf, die zu einem dicken flauschigen Wollballen zusammengefaltete Decke, auf der das Tier ruhte, nicht zu bewegen. »Sie wissen, dass eines dieser jungen Dinger in den Neckar sprang, nachdem er sie nicht angenommen hatte?«
Braig schaute überrascht auf. »Nein. Wann war das?«
»Kurz vor unserer Scheidung. Vielleicht zwei, drei Monate vorher. Es hat ihn getroffen, das muss ich zugeben. Vollends weggetreten war er damals noch nicht. Sie war siebzehn, ihre Eltern hatten nur sie. Zwei Tage vorher hatte er ihr seine Entscheidung mitgeteilt. Es war Januar, wie jetzt. Nur wesentlich kälter. Keine solchen Frühlingstemperaturen wie in diesem Jahr. Sie sprang an einem Samstagabend. In Esslingen von der Vogelsangbrücke. Ein paar Kilometer weiter, in Mettingen, fischten sie ihre Leiche aus dem Wasser.«
Noch von Ludwigsburg aus hatte er am Mittag versucht, Meisners Ex-Frau zu sprechen, jedoch nur ihre Mailbox erreicht. Er war gerade auf dem Weg aus dem Büro, kurz nach 18 Uhr, als sie zurückrief.
»Es geht um Ihren Mann«, hatte er erklärt, »ich muss Sie sprechen.«
»Ex-Mann, bitte. Die Sache mit diesem ermordeten Angel?« Sie hatte sofort Bescheid gewusst.
»Wie kommen Sie darauf?«
»Ach Gott, jetzt tun Sie doch nicht so. Das kommt doch schon den ganzen Abend im Radio.«
Noch am Nachmittag hatten sie eine Pressekonferenz einberufen und Nico Meisner zur Fahndung ausgeschrieben. Die Medienvertreter schienen begeistert über die Möglichkeit zur Mitarbeit. Endlich wieder eine Aufsehen erregende Suche nach einem Täter in Sachen Sex and Crime. Das versprach Aufmerksamkeit, höhere Einschaltquoten, bessere Verkaufszahlen.
Boris Schremp zu erreichen,
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