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Braig & Neundorf 12: Schwabenehre

Braig & Neundorf 12: Schwabenehre

Titel: Braig & Neundorf 12: Schwabenehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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bald zur Heimat wurden. Er sorgte nicht nur für Unterkunft und Verpflegung dieser Menschen, sondern auch für ihre Schul- und Ausbildung, zudem für Arbeit in handwerklichen Berufen. Um den stetig zunehmenden Ansturm Bedürftiger zu bewältigen, unternahm Gustav Werner unzählige Vortragstouren durch ganz Württemberg, auf denen er um Helfer und Spenden für sein Bruderhaus warb. Innerhalb kürzester Zeit fanden sich so viele junge Idealisten, vor allem Frauen, dass er weitere Bruderhaus-Filialen gründen konnte, innerhalb von nur fünfzehn Jahren in zweiunddreißig verschiedenen, teilweise vollständig verarmten Orten im Land.
    Weil er selbst keinen einzigen Cent besaß, das Geld zudem an allen Ecken und Enden fehlte, übernahm Werner 1851 eine Papierfabrik am Rand Reutlingens, die mithelfen sollte, das gesamte Werk zu finanzieren. Über hundertfünfzig Menschen fanden in dieser christlichen Papierfabrik zum Bruderhaus Arbeit, Unterkunft und Ausbildung. Werner lebte samt seiner Frau mit ihnen zusammen, teilte alles, was er hatte. Zeit seines Lebens von Frommen und Wirtschaftsliberalen angefeindet und in unvorstellbarem Ausmaß verleumdet, weil ihnen Werners Lebensstil zu unkonventionell und nicht linientreu genug war, mutete er sich unermüdlich neue Lasten zu. Die Papierfabrik, belastet vom brackigen Wasser der Echaz, die flussaufwärts unzähligen Gerbereien als Abwasserkanal diente, schaffte es nur selten, Gewinn abzuwerfen. Ohne jedes Eigenkapital, nur mit gespendetem und geliehenem Geld erwarb Werner deshalb in Dettingen an der Erms eine neue Papierfabrik und ließ sie von einem seiner Bruderhäusler, Heinrich Schlatter, auf den modernsten Stand der Technik bringen. Bald kamen Maschinenbauwerkstätten, eine Eisengießerei, Ackergeräte-Produktionen, eine Papiermaschinen- und Möbelfabrikation hinzu. Ihre Erzeugnisse fanden im württembergischen Königshaus als auch in vielen Ländern wie Russland, England und Schweden zahlreiche Abnehmer.
    Seit dem Jahr 1850 rief Werner zudem ein großes Netz von Wohltätigkeitsvereinen im gesamten Ländle ins Leben, die unter dem Motto »Hilfe zur Selbsthilfe« Ausbildungs- und Arbeitsplätze für verelendete Menschen schufen. So gelang es ihm etwa mit dem »Verein zur Beschäftigung brotloser Arbeiter« in Stuttgart allein 1852 Arbeit für 180 Menschen zu schaffen. Der von ihm mitgegründete »Verein zur gegenseitigen Hilfeleistung« verteilte Darlehen mit niedrigen Zinssätzen, um arbeitslosen jungen Menschen den Aufbau einer beruflichen Existenz zu ermöglichen, wurde damals Kapital doch nur gegen Wucherzinsen verliehen.
    Dass das Bruderhaus zwischendurch Konkurs anmelden musste, schien den Kritikastern Recht zu geben. Gustav Werner schaffte es jedoch innerhalb kürzester Zeit, sein Werk mit neuen Spenden weiterzuführen und sogar noch zu erweitern, dadurch unzähligen Menschen in ganz Württemberg die Grundlage ihres Lebens zu erhalten. Ausgelaugt und vollkommen überarbeitet – selbst in seinem letzten Lebensjahr war er noch fast täglich meist zu Fuß zu verschiedenen Orten unterwegs, um für sein Bruderhaus Mitarbeiter und Spenden zu werben, starb Werner 1887 im Bruderhaus-eigenen Krankenhaus in Reutlingen. Zigtausende von Menschen, überwiegend Frauen, halfen mit, sein Bruderhaus zu verwirklichen, Hunderttausende fanden dadurch für sich und ihre Familie einen Weg aus dem Elend in ein sozial erträgliches menschengerechtes Leben. Heute sind sein Werk wie seine Ideen zumindest in Teilen in der evangelischen Diakonie aufgegangen.

34. Kapitel
    Tobias Schwenger empfing Braig am späten Dienstagnachmittag in seiner Wohnung in der Unteren Hauptstrasse in Geradstetten im Remstal. Er hatte sich mit dem Vorsitzenden des Betriebsrats der Firma Göttler per Handy auf 16.30 Uhr verabredet, dem frühest möglichen Termin, zu dem er ihn empfangen konnte.
    »Ich sitze noch im Zug und komme erst gegen 15.30 Uhr von der Gewerkschaftstagung in Berlin nach Hause«, hatte er ihm mitgeteilt, »aber morgen habe ich mehrere Gespräche in unserem Zweigwerk in Mainz, da komme ich überhaupt nicht in unsere Firma nach Esslingen. Wenn ich Pech habe, ziehen sich die Gespräche bis zum Donnerstag hin. Wollen Sie mich also bald sprechen, sollten wir das möglichst heute Nachmittag tun. Am liebsten bei mir zu Hause, ich bin lange genug von meiner Familie weg.«
    Braig kannte die Hauptstraße in Geradstetten, die wenige hundert Meter vom Bahnhof entfernt parallel zur lärmenden Bundesstraße durch

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