Braig & Neundorf 12: Schwabenehre
Gegenüber aufhellte, fügte noch schnell: »Aber wir sollten die Überlegung in der Hinterhand behalten, wenn es gar nicht anders geht«, hinzu.
Herrmann nickte zustimmend. Der Manager schien sichtbar erleichtert, stand auf, trat an seinen Schreibtisch.
»Ein ganz anderes Kapitel«, sagte Braig, »erschrecken Sie bitte nicht, ich muss die Frage stellen, rein pro forma.« Er sah, dass der Mann neben seinem Bürostuhl stehen blieb und aufmerksam zu ihm herschaute.
»Um was geht es?«, fragte Frau Kirsch. Braig bemerkte ihren gespannten Gesichtsausdruck und beschloss, nicht lange um den Brei herum zu reden. »Gab es Drohungen gegen Ihr Haus, den Kongress im Besonderen, gegen eine bestimmte Person, Auseinandersetzungen, Streit irgendwelcher Art?«
»Sie meinen …«
»Bitte denken Sie genau über diese Frage nach. Schon die kleinste Bemerkung kann mir vielleicht weiterhelfen.«
Die Managerin blickte ihm ohne alle Umschweife direkt ins Gesicht. »Ich verstehe. Sie wollen wissen, ob sich im Umfeld dieser Veranstaltung solch gravierende Unstimmigkeiten ergaben, die diese hätten eskalieren lassen können.« Sie schaute auf, fixierte ihren Kollegen, schüttelte langsam, aber stetig ihren Kopf. »Es tut mir leid, aber da kann ich Ihnen nur eine abschlägige Antwort geben. Mir ist nichts bekannt, was auch nur in irgendeiner Weise darauf hindeuten könnte, oder?« Die Frage war an ihren Kollegen gerichtet, rief auch bei ihm nur ein eindeutiges Kopfschütteln hervor. »Nicht, dass wir Ihnen eine Information vorenthalten wollten, wirklich nicht. Und mir ist auch klar, dass in einem Haus wie unserem mit derart vielen Gästen die Konflikte nicht außen vor bleiben können, das liegt nun einmal in der Struktur der Dinge. Kongresse sind auch dazu da, Meinungsverschiedenheiten abzuklären und sie auszudiskutieren. Aber Drohungen oder außergewöhnliche Auseinandersetzungen sind mir nicht bekannt. Wirklich nicht. Auch nicht im Zusammenhang mit dieser konkreten Veranstaltung.«
Herrmann kam von seinem Schreibtisch zurück, reichte Braig ein Bündel Papiere. »Ich kann mich Frau Kirsch nur anschließen«, erklärte er. »Mir ist nichts dergleichen zu Ohren gekommen. Ohne dass ich Ihnen irgendetwas verheimlichen wollte.«
»Dann bitte ich Sie, sich die Sache einfach noch einmal zu überlegen. Manchmal fällt einem erst nach längerem Nachdenken wieder etwas ein. Und seien es auch noch so absonderliche Kleinigkeiten.« Braig nahm die Papiere des Managers in die Hand, blätterte sie durch. Er sah, dass es sich um einen mehrseitigen Übersichtsplan der Liederhalle handelte mit der detaillierten Darstellung der verschiedenen Ebenen und ihrer Räume.
»Ich nehme an, die Struktur unseres Hauses interessiert Sie«, erklärte Herrmann.
Braig nickte, bedankte sich. »Die werde ich wohl genau studieren müssen. Wieso der Täter gerade in dieser Toilette auf sein Opfer traf. Ob es Zufall war oder Absicht. Ob er ihm folgte oder vielleicht sogar irgendwo auf ihn wartete. Ich darf mit Ihrer Hilfe rechnen?«
»Jederzeit.« Der Manager reichte Braig eine Visitenkarte, wies auf die ausgedruckten Handy-Verbindungen. »Wenn Sie Fragen haben, wählen Sie eine der beiden Nummern. Wir stehen rund um die Uhr zu Ihrer Verfügung.«
6. Kapitel
Hallo, mein Freund, hier ist Bianca. Du hast Lust auf uns Zwei?« Die Stimme der jungen Frau klang schmeichelnd und verspielt. »Bei Kerzenschein und einem Glas Prosecco ein gemütliches Tête-à-Tête mit viel Zeit für uns zwei …«
Braig hatte nicht lange gebraucht, um zu verstehen, wen er in der Leitung hatte. Noch bevor das lustvolle Stöhnen der Frau am anderen Ende in ihre nächsten lockenden Worte übergegangen war, wusste er bereits, worum es sich bei dem Anschluss handelte: um die Rufnummer einer Prostituierten. Zuallererst die Identität des Getöteten feststellen, er war sich darüber im Klaren gewesen, dass dies die vordringlichste Aufgabe war. Er hatte sich von den Managern der Liederhalle verabschiedet, hatte sein Handy vorgezogen und die Telefonnummer eingegeben, auf die sie in der Hosentasche des Toten gestoßen waren. Wenn es eine Alternative zur Befragung der Kongressbesucher gab, dann diese. Er hatte die Liederhalle verlassen, war gerade ins Freie getreten, stand wenige Schritte vom Silcher-Denkmal entfernt, als ihm die Stimme ins Ohr schmeichelte.
»Hallo mein Freund, hier ist Bianca. Ich freue mich auf dich, deine zarten Hände, deinen kräftigen Körper. Dich spüren, deine Lust, dein
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