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Braig & Neundorf 12: Schwabenehre

Braig & Neundorf 12: Schwabenehre

Titel: Braig & Neundorf 12: Schwabenehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Zehn vor Zwölf. Zeit für eine kurze Mittagspause, überlegte er, zumal er Ann-Katrin versprochen hatte, diese in den letzten Wochen ihrer Schwangerschaft so oft wie möglich gemeinsam mit ihr in der neuen Wohnung zu verbringen.

9. Kapitel
    Dr. Otto Genkinger bettete gerade einen kleinen rötlich braunen Hund vorsichtig in den mit bunten Decken gepolsterten Fahrradanhänger einer jungen Frau und strich dem Tier sanft übers Fell, als Braig vor dem Haus anlangte. »Das wird schon wieder« sagte der in einen weißen Arztkittel gekleidete knapp über sechzigjährige Mann, »in den nächsten Tagen springt Paprika quicklebendig wieder neben Ihrem Fahrrad her.«
    Die Frau bedankte sich per Handschlag, nahm auf ihrem mit einem tiefen Einstieg ausgestatteten bequemen Sportrad Platz, fuhr langsam davon.
    »Paprika?«, fragte Braig. »Habe ich das richtig verstanden?«
    Dr. Genkinger lachte laut, ein kräftiges herzliches Lachen, was Braig wieder einmal veranlasste, darüber nachzudenken, dass eine solch emotionale Gefühlsregung nur aus der Kehle eines Menschen stammen konnte, der mit seinem Leben rundum zufrieden war. Oder täuschte er sich bei dieser Überlegung? Er hatte den Mann jedenfalls auf Anhieb gemocht – eine für einen jetzt schon seit Jahrzehnten beruflich unablässig im Morast der Gesellschaft wühlenden und ständig mit den übelsten Schattenexistenzen beschäftigten Kriminalbeamten zugegebenermaßen nicht allzu oft auftretende Empfindung. Eine originelle, seine individuellen Charaktereigenschaften niemals verleugnende, meist freundlich, oft aber auch kantig, ja knorrig auftretende Persönlichkeit, wie es sie heute, in einer zunehmend von Massenmedien dominierten und gleichgeschalteten Welt immer seltener zu geben schien.
    Dr. Otto Genkinger praktizierte seit über zwanzig Jahren als selbstständiger Tierarzt in einem alten, auf allen Seiten von einem dichten Grüngürtel eingefassten drei Stockwerke hohen Haus unweit des Cannstatter Kurparks. Kräftige, meist immergrüne, selbst jetzt Anfang März wild wuchernde Pflanzen und Büsche ließen das Gebäude wie hinter einem grünen Vorhang verschwinden. Seine Lage am Ende einer tatsächlich, wie Braig jetzt, acht Tage nach ihrem endgültigen Umzug hierher, aus eigener Erfahrung bestätigen konnte, nur wenig befahrenen Straße verliehen dem Haus einen besonderen Reiz. Was dem Anwesen aber den Rang eines einzigartigen Juwels vermittelte, war die wenige Meter hinter dem Grundstück verlaufende Bahnlinie. Die beiden in einen tiefen Einschnitt gebetteten, die Stuttgarter Innenstadt umfahrenden Gleise bildeten zum Glück aller Anwohner eine unüberwindbare Barriere für jeden Durchgangsverkehr. Jenseits der Bahnlinie erstreckte sich auf einer kleinen Anhöhe das aufgelockerte, von unzähligen Büschen und Bäumen gesäumte grüne Paradies des Cannstatter Kurparks, über eine schmale nur Fußgängern und Radfahrern zugängliche Brücke in wenigen Minuten zu erreichen.
    Helmut Rössle hatte Braig auf die Wohnung im Haus seines Onkels aufmerksam gemacht.
    »Ann-Katrin hat nur noch einen großen Wunsch«, hatte er ihm während ihrer Ermittlungen anlässlich der Ermordung zweier junger Frauen in der Nähe der Comburg und der Burg Teck im Januar erzählt, »sie will raus aus der Stadt, bevor das Kind geboren ist.«
    Seit eine hochschwangere Bekannte in unmittelbarer Nachbarschaft ihrer Wohnung in der Hermannstraße in der Stuttgarter Innenstadt von einem Auto angefahren worden war und infolgedessen ihr Kind verloren hatte, fürchtete sich seine Lebensgefährtin vor einem ähnlichen Schicksal.
    »Und selbst wenn dir diese Angst übertrieben scheint«, hatte sie ihm erklärt, »ich möchte nicht, dass mein Kind zwischen Bergen von Blech aufwächst und keinen Schritt tun kann, ohne in Gefahr zu geraten, überfahren zu werden.«
    Ann-Katrins Befürchtungen spiegelten voll und ganz die reale Situation, dessen war er sich bewusst. Die Lebensqualität in Stuttgart verschlechterte sich von Jahr zu Jahr – das hatte er selbst in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten am eigenen Leib erlebt. Immer mehr Straßenzüge dieses eigentlich idyllisch am Hang, auf den Höhen und in den Senken zwischen unzähligen Hügeln und Bergen errichteten Stutengartens versanken in den Fluten von Blech, Lärm und Abgasen. Parks, grüne Einsprengsel, winzige von Büschen und Bäumen bewachsene Oasen wurden Parkplätzen und zusätzlichen Fahrspuren geopfert, neue Einfallstraßen geplant und

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