Braig & Neundorf 12: Schwabenehre
miteinander telefoniert. Ich bin von der Polizei.«
Die Frau betrachtete ihn ausgiebig von Kopf bis Fuß, erhob sich vollends, zog ihre Gummihandschuhe aus, klopfte sie an ihren Beinen ab. »Dann stimmt das wirklich?«, presste sie schließlich hervor. »Ich dachte vorhin, da macht sich irgendein Scherzbold einen Ulk mit mir.«
»Tut mir leid, das war unbeabsichtigt. Ich dachte, ich hätte mich klar genug ausgedrückt.«
»Und Sie sind wirklich von der Polizei?«
»Lass dir seinen Ausweis zeigen«, rief der Mann neben ihr vom Boden her, bevor seine Stimme wieder in heftigem Husten erstarb, »ohne Ausweis würde ich mich erst gar nicht …«
»Hier, bitte«, erklärte Braig. Er zog seine Kennkarte aus der Tasche, reichte sie ihr. »Es geht um Ihren Mann.«
Die Frau starrte auf den Ausweis, musterte ihn ausgiebig, gab ihn ihm dann zurück. »Solche Sachen kann man bestimmt auch fälschen«, meinte sie.
»Welche Sachen?«
»Na, diesen angeblichen Ausweis.«
Braig wusste nicht, weshalb sie so skeptisch war, versuchte, sich nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. »Weshalb sollte ich Ihnen einen gefälschten Ausweis zeigen? Glauben Sie, deswegen fahre ich extra von Stuttgart hier her?«
»Was weiß ich«, erwiderte die Frau, »warum kommen Sie überhaupt zu mir, wenn Sie meinen Mann sprechen wollen?«
»Das ist ganz einfach«, sagte Braig, »weil er …« Er brach mitten im Satz ab, weil ihn der aufdringliche Blick des Arbeiters störte, mit dem dieser jede seiner Äußerungen verfolgte, zog das Foto des Toten aus der Tasche. »Ihr Mann Markus ist heute in der Liederhalle, richtig?«
»Das habe ich Ihnen doch am Telefon erklärt«, antwortete die Frau. »Irgend so eine dämliche Tagung im Auftrag seiner Firma. Er schimpfte gestern den ganzen Abend lang.«
»Er schimpfte? Weshalb?«
»Weil ihm der Schwachsinn nichts bringt und mit seiner Arbeit überhaupt nichts zu tun hat. Das sagte er jedenfalls. Eigentlich war sein Vorgesetzter für den Kram gemeldet, aber der wurde überraschend krank. Nur weil sonst niemand abkömmlich war, verfielen die auf die Idee, ihn in die Liederhalle zu schicken. Er hätte lieber gearbeitet, anstatt sich den Blödsinn anzuhören.«
»Was ist Ihr Mann von Beruf?«
»Elektriker«, erklärte sie, »aber in der letzten Zeit muss er sich nur noch damit beschäftigen, wie die Arbeit in seiner Abteilung schneller erledigt werden kann, damit sie freiwerdende Stellen nicht mehr besetzen müssen.«
»Und für den Kongress in der Liederhalle war er gar nicht vorgesehen?«
»Das sage ich Ihnen doch. Erst gestern Mittag wurde entschieden, dass er da teilnehmen soll. Er war stocksauer. Das sei alles wieder nur theoretischer Quatsch, was er sich da anhören müsse, meinte er.«
Braig überlegte, was diese Information für das geschehene Verbrechen bedeutete. Wenn Markus Schmitt ursprünglich gar nicht als Teilnehmer der Veranstaltung gemeldet, sondern quasi in letzter Sekunde erst nachträglich und dazu noch als Ersatz für seinen Vorgesetzten in die Liederhalle beordert worden war …
Eine emotionale Kurzschlusshandlung, eine wohl kaum seit längerem geplante Tat …
»Und? Was wollen Sie jetzt von Markus?« Die Worte der Frau schreckten ihn aus seinen Gedanken. Er hob das Foto hoch, reichte es ihr. »Ich kann es leider nicht länger hinauszögern, tut mir leid. Bevor wir weitersprechen, muss ich mich erst vergewissern, dass wir beide …« Er brach mitten im Satz ab, zeigte auf das Bild. »Sie erkennen ihn?«
Die Frau wischte sich mit der Hand übers Gesicht, schaute kurz auf das Foto, nahm dann wieder Braig ins Visier.
»Er ist es, ja?«, fragte er zögernd. Er sah ihren skeptischen Blick, hörte verwundert ihre Worte.
»Wer soll das sein?«
»Wie bitte?«
»Was wollen Sie mit dem Bild?«
Braig streckte ihr das Foto direkt unter die Augen, versuchte, ihre Reaktion genau zu beobachten. »Der Mann hier …«
»Was soll ich mit ihm? Ich kenne ihn nicht.«
»Sie …«
»Was ist mit dem Kerl?«, fragte ihr Kollege. Er hatte sich erhoben, war neben sie getreten, schaute mit vor Neugier geweiteten Augen auf das Bild. »Er ist tot, was?«
Braig nickte zögernd, versuchte die Reaktion der Frau zu verarbeiten. »Sie kennen den Mann also nicht?«
»Nein«, erklärte sie mit fester Stimme, »den habe ich noch nie …« Sie stockte mitten im Satz, musterte Braig mit scharfem Blick. »Sie haben doch nicht etwa gedacht, bei dem hier«, sie deutete, die Arbeitshandschuhe in der Rechten,
Weitere Kostenlose Bücher