Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Braig & Neundorf 12: Schwabenehre

Braig & Neundorf 12: Schwabenehre

Titel: Braig & Neundorf 12: Schwabenehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
Vom Netzwerk:
können mich aber verstehen, ja?«
    Sein Brummen war kaum zu hören.
    Er ist ansprechbar, ja, hatte die Ärztin erklärt, für ein Gespräch von fünf, maximal zehn Minuten dürfte es reichen. Neundorf wusste nicht, ob sich der Zustand des Mannes seit dieser Diagnose wieder verschlechtert hatte oder ob die Ärztin einem Fehlschluss unterlegen war. Die Tatsache war nicht zu übersehen, dass der Mann immer noch schwer traumatisiert war. Noch hatten sie keine detaillierten Informationen darüber, was sich am frühen Morgen im Verkaufsraum der Tankstelle ereignet hatte. War er in einem weit stärkeren Ausmaß traktiert worden, als sie es bisher vermuteten? Hatte er sich vielleicht – zumindest anfangs – geweigert, die Kasse zu öffnen und Geld herauszugeben und somit eine Eskalation der Gewaltbereitschaft der Täter provoziert?
    Sie konnte nichts dazu sagen, war voll und ganz auf die Aussagen Wössners angewiesen, um den Hergang des Überfalls rekonstruieren zu können. Die Spurensicherer hatten neben der mutwilligen Zerstörung der beiden Überwachungskameras keine Hinweise auf außergewöhnliche Gewaltakte innerhalb der Ladenfläche entdeckt. Wie Ohmstedt ihr vor wenigen Minuten erst mitgeteilt hatte, mussten sie auch die Hoffnung begraben, die Attacke auf einer der Kameras durch das in diesem Moment noch funktionstüchtige zweite Objektiv verfolgen zu können: Wie er sich selbst am Bildschirm überzeugt hatte, waren beide Überwachungsobjekte genau gleichzeitig zerstört worden – von ihrer jeweiligen Rückseite her und genau in einem Moment, als keine zum Aufnahmeort der anderen ausgerichtet war.
    »Das waren Fachleute«, hatte Ohmstedt hörbar beeindruckt geäußert, »die wussten auf die Sekunde genau, wann sie zuschlagen mussten.«
    War Wössner den Verbrechern in die Quere gekommen und deshalb entsprechend in die Mangel genommen worden?
    Körperliche Verletzungen liegen nicht vor, hatte die Ärztin diagnostiziert, aber das heißt nicht viel. In bestimmten Situationen geäußerte, durch symbolische Gesten verdeutlichte Drohungen können psychische Traumata verursachen, die den Folgen schlimmster physischer Folterungen gleichkommen, hatte sie hinzugefügt. Wössners immer noch von dem Überfall gezeichnetes Verhalten deutete darauf hin, dass er zum Opfer derartigen Vorgehens geworden war.
    Neundorf musterte die bleiche Gestalt vor sich eingehend, wagte einen letzten Versuch. »Vielleicht können Sie mir sagen, wie viele Täter es waren«, fragte sie. »Gehe ich richtig in der Annahme, dass es sich um zwei Männer handelte?«
    Wössner hatte seine Augen inzwischen vollends geschlossen, zeigte keine Reaktion. Die dünnen Haare klebten in Strähnen über der rechten Schläfe, gaben den Blick auf seine Kopfhaut frei. Kleine braune Altersflecken waren zu sehen.
    Er ist achtundfünfzig Jahre alt, hatte Ohmstedt erklärt, seit mehreren Jahren in diesem Shop als Verkäufer beschäftigt. Mehr kann ich noch nicht sagen, ich bin gerade auf dem Weg zu seiner Frau nach Marbach. Sie war den ganzen Morgen bei ihm im Klinikum. Vielleicht hat er ihr erzählt, wie es ablief, dann haben wir die Chance, es auf diesem Weg zu erfahren.
    Neundorf warf einen letzten Blick auf den Mann, gab sich keiner Illusion mehr hin, hier im Moment noch etwas ausrichten zu können. Hoffentlich ist Ohmstedt mehr Erfolg beschieden, überlegte sie, die Stirn in Falten gelegt, sonst sind wir heute Abend keinen Schritt weiter als am Morgen. Sie stampfte vor ohnmächtiger Wut auf den Boden, lief aus dem Raum. Was war das nur wieder für ein sinnloser Tag!

13. Kapitel
    Selten zuvor hatte Braig so ausgiebig Gelegenheit gefunden, Esslingens stimmungsvolle Altstadtgassen samt dem darin unaufhörlich fließenden Strom bummelnder Passanten zu beobachten, wie während des Telefonats mit Söderhofer. Junge, alte, miteinander scherzende, sich laut unterhaltende Menschen passierten die Innere Brücke in beide Richtungen. Frauen schleppten Einkaufstaschen, schoben Kinderwagen, zerrten ihren plärrenden, widerstrebenden Nachwuchs hinter sich her. Ältere Männer vertraten sich gelangweilt umherschauend die Füße, trafen sich mit Freunden, palaverten lauthals miteinander. Jugendliche beiderlei Geschlechts flanierten in kleinen und größeren Gruppen durch die Gassen, neugierig die Köpfe reckend und nach Gleichaltrigen spähend. Kinder schleckten Eis, von Hormonschüben vorübergehend aus der Bahn geworfene Pubertierende versuchten mit lautstark verkündeten

Weitere Kostenlose Bücher