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Braig & Neundorf 12: Schwabenehre

Braig & Neundorf 12: Schwabenehre

Titel: Braig & Neundorf 12: Schwabenehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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weiß. »Wie wurden Sie auf Herrn Schmiedle aufmerksam?«, fragte er. Kobers Miene entspannte sich zusehends. Seine Stirn verlor ihre Falten, die Augen weiteten sich. »Er hatte gerade eine aufsehenerregende Doktorarbeit veröffentlicht und arbeitete seit zwei Jahren als Dozent an der Universität in Reutlingen. Als wir ins Gespräch kamen, bot er uns seine Dienste als Unternehmensberater an. Daraus wurde dann der feste Job. Er wagte den Sprung von der Theorie in die Praxis, zu unserem Glück.«
    »Er fand einen neuen Kunden für Ihre Produkte?«
    »Nein, wie stellen Sie sich das vor?« Der Mann ließ ein seltsam gequältes Lachen hören. »Der Irak-Krieg war vorbei, neue jedenfalls größere Konflikte, nicht in Sicht. Das können Sie ja nicht aus dem Hut zaubern. Wir standen vor dem Problem: Zu wenig Arbeit für zu viele Leute. Und genau da setzt Markus Modell an.«
    »Nämlich?«
    »Normalerweise hätten wir mehr als ein Drittel der Belegschaft entlassen müssen. Ohne Verzug. Leute in der Produktion, der Verwaltung, ja, einen Teil des Werkes aufzugeben war im Gespräch. Da schlug Markus dem Betriebsrat, der Geschäftsführung und den Besitzern vor, das geringere Arbeitsvolumen gleichmäßig auf die Gesamtbelegschaft zu verteilen.«
    »Jeder arbeitet weniger, verdient aber entsprechend auch nicht mehr so viel?«
    »Im Prinzip, ja«, bestätigte Kober, Braigs Vermutung mit einem Kopfnicken bejahend.
    »So neu ist das aber nicht. Wurde das nicht zeitweise auch schon bei anderen Firmen praktiziert?«
    »Im Prinzip, ja«, wiederholte sich der Mann. »Aber meist nur mit großem Widerstand. Schließlich verdienen die Leute wesentlich weniger als vorher. Markus Modell bietet aber zwei Komponenten an, die diese Einkommensverluste deutlich abmildern und den Betriebsrat deshalb nach anfänglichem Zögern fast begeistert zustimmen ließen.
    Zum einen: Wir schlossen einen eigenen Tarifvertrag mit allen Mitarbeitern ab, der Lohnerhöhungen nicht mehr prozentual, sondern nur noch in absolut gleich großen Summen für alle Beschäftigen vorsieht. Das klingt nicht gerade berauschend, ich weiß, entlastet aber die Geringverdiener, also die, die das Geld am meisten benötigen. Ich erkläre Ihnen das an einem Beispiel: Eine Lohnerhöhung von, sagen wir 5 Prozent bedeutet für den, der 10000 Euro verdient, satte 500 Euro mehr. Diejenigen, die nur 500 Euro nach Hause bringen, erhalten dagegen ganze 25 Euro zusätzlich. So läuft das überall in sämtlichen Betrieben. Die Großen kassieren immer mehr, die Kleinen … Vergessen Sie’ s, das reicht kaum zum Leben.
    In unserer Firma dagegen erhalten alle eine feste Summe, sagen wir mal 80 Euro als Erhöhung. Umgerechnet auf alle Beschäftigten muss sie den 5 Prozent entsprechen, die sonst gezahlt werden. Das ist für die besser Verdienenden schlechter, für die kleinen Gehälter aber weit mehr als sonst. Nach ein paar Jahren machen sich diese Bedingungen deutlich bemerkbar, verstehen Sie?«
    »Natürlich«, antwortete Braig. »Der Vertrag gilt auch für Sie?«
    »Selbstverständlich«, erklärte Kober voller Überzeugung. »Das war einer der Gründe, warum sich der Betriebsrat überzeugen ließ. Und Markus’ Modell hat noch eine zweite Komponente.« Er wurde vom nervösen Klopfen der Frau unterbrochen, strich ihr zärtlich über die Hand. Sie lächelte dankbar, beruhigte sich wieder. »Die Löhne, die in unserer Firma gezahlt werden, dürfen nicht zu weit auseinanderliegen. Maximale Differenz zwischen dem Durchschnitts- und dem Spitzenverdienst ist der Faktor 3.«
    »Das steht in Ihrem Tarifvertrag?«, fragte Braig überrascht. Kober nickte. »Der Geschäftsführer der Firma, also ich, verdient genau das Dreifache dessen, was wir als Durchschnittslohn zahlen. Mehr ist nicht drin.«
    »Da mussten Sie aber deutliche Einbußen hinnehmen.« Kober nickte. »Alle anderen Führungsgehälter sind aber ebenfalls deutlich eingeschränkt. Schmiedle auf Faktor 2 und die Abteilungsleiter auf Faktor 1,5. Das setzt Gelder frei, die den niedrigsten Löhnen zugute kommen. Obwohl alle Mitarbeiter 30 Prozent weniger arbeiten als in anderen Firmen, erhalten die unteren Gehaltsstufen nur 10 Prozent weniger Lohn. Das ist immer noch problematisch, aber durch unsere auf absolute Zahlungen umgestellten Gehaltserhöhungen reduziert sich die Differenz von Jahr zu Jahr. Obwohl die Leute auch dann noch 30 Prozent weniger arbeiten müssen.«
    »Und Sie und die übrigen Spitzenkräfte waren einverstanden?«
    »Fast

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