Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer
übermittelten Botschaften ausfiel?
Den ganzen Montagnachmittag hatten Braig und Neundorf in getrennten Vernehmungen versucht, Bruder und Schwester dazu zu bewegen, sich zu dem Brief zu bekennen – vergeblich.
»Es gibt zwei Möglichkeiten«, hatte Neundorf gegen 16.45 Uhr auf dem Weg zur Montagsdemonstration gegen die Kastration des Stuttgarter Bahnverkehrs ihrem Kollegen erklärt. »Entweder die beiden lügen – weshalb auch immer. Oder …«
»Oder …«, hatte Braig gefragt, gespannt auf Neundorfs Überlegung.
»Falls der Brief wirklich von einer dritten Person stammt, muss diese Person die beiden vorherigen Drohmails gekannt haben. Denn dass jemand zufällig haargenau dieselben Worte benutzt, ist unmöglich.«
»Wer außer Benkle und Klopfer kannte die Drohungen?«
»Sarah Benkle ist bereit, jeden Eid zu schwören, dass niemand außer ihr davon Kenntnis hatte. Nicht einmal ihr Bruder. Warum sollte die Frau lügen?«
»Weil sie jemanden decken will?«
»Und dafür alle Konsequenzen der Bestrafung auf sich nimmt? Wer soll das sein?«
»Ich weiß es nicht.«
»Nein. Das ist absurd. Wen sollte sie decken wollen und warum? Ich glaube der Frau«, hatte Neundorf erklärt. »Die war außer sich vor Wut auf diesen Kerl und wollte ihm eine reinwürgen. Verständlich, würde ich mal sagen. Ich hätte dem Halunken die Fresse poliert, wäre mir das passiert.«
»Damit haben wir aber immer noch keine Antwort, wer als dritte Person infrage kommt.«
»Die Antwort nicht«, hatte Neundorf zugegeben, »eine Vermutung aber schon. Wer außer Sarah Benkle – sofern wir ihr Glauben schenken – kennt alle Details über den Wortlaut der Drohungen?«
Braig hatte die leicht verkniffene Miene seiner Kollegin bemerkt und sofort begriffen, worauf sie anspielte. »Du glaubst …« Er war unwillkürlich stehen geblieben.
»Ja?«
»Fitterling?«, hatte er langsam formuliert.
»Wer sonst?«
»Aber weshalb?«
23. Kapitel
Keine dreißig Minuten nach dem endgültigen Ende der Beerdigung – unzählige Menschen waren zum offenen Grab defiliert, hatten dem Ermordeten mit Blumen oder einer Schaufelspitze Erde die letzte Ehre erwiesen – war der Anruf eingegangen. Braig hatte sein Handy erst wenige Minuten vorher wieder aktiviert, die nur mit unwesentlichen Mitteilungen und nervigen Anfragen, unter anderem aus Söderhofers Büro, gefüllte Mailbox abgehört, dann Neundorfs Nummer auf seinem Display erkannt.
»Die Beerdigung ist vorbei?«
»Noch nicht lange. Die Leute stehen immer noch beieinander. Ich glaube, die ganze Umgebung war auf den Beinen.«
»Michael Fitterling«, sagte Neundorf.
»Was ist mit ihm?«
»Der Erbe.«
»Ja, darüber haben wir uns ja schon unterhalten.«
»Er hatte Streit mit Allmenger.«
»Wie bitte?« Er glaubte, nicht richtig zu hören. »Woher willst du das wissen?«
»Ich war bei Allmenger zu Hause, das haben wir doch abgesprochen. Er ist noch krank geschrieben. Ich habe den Kerl etwas in die Mangel genommen. Kerstin Svedholm, versuchte Vergewaltigung, strafrechtliche Konsequenzen und so. Er wurde butterweich.«
Braig benötigte nicht viel Phantasie, sich vorzustellen, wie seine Kollegin vorgegangen war. Im Bewusstsein, einem Ekelpaket wie diesem Allmenger gegenüberzustehen, der sich ihren bisherigen Informationen zufolge Frauen gegenüber unglaublich menschenverachtend verhalten hatte, pflegte sich Neundorf keinerlei Zurückhaltung aufzuerlegen. Die einzige Methode, wie Braig aus Erfahrung wusste, dieser skrupellosen Type Mann zu begegnen, wollte man ehrliche Antworten erhalten.
»Vorletzte Woche, Freitag. Vier Tage vor Allmengers Badewannenexkursion.«
Braig hatte Mühe, ruhig zu bleiben. Vier Tage vor der Folter des Mannes. Und, was dazu kam: Vier Tage vor dem Mord an Christian Fitterling. Hatten sie endlich die Verbindung zwischen den beiden Verbrechen offengelegt? »Was war der Anlass?«, fragte er.
»Allmenger hatte den Bezug von Fitterlings Maultaschen gekündigt. Ein Riesenauftrag sei das gewesen. Insgesamt vier große Seniorenheime, also weit über vierhundert Personen – und das regelmäßig, jede Woche. Er habe von Kollegen von der Lieferung verdorbener Produkte der Firma gehört, sah sich verpflichtet, die Konsequenzen zu ziehen. Wenige Tage später sei Fitterling, also dieser Michael, persönlich bei ihm aufgetaucht. Wie erwähnt, am Freitag vor seiner Folter. Der Mann habe die Rücknahme der Kündigung verlangt, sei ausgerastet, als er die verweigert habe. Bei der
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