Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer
ähnlich wenig Substantielles wie die der Spurensicherer. Der Mann war gegen sieben Uhr am frühen Morgen vom Läuten seiner Wohnungsglocke überrascht worden, hatte im Glauben, es handle sich um einen Nachbarn, der am Vortag ein Paket für ihn angenommen hatte, ahnungslos die Tür geöffnet.
»Und da passierte es schon«, erklärte er. »Zwei Männer, aber beide nicht zu erkennen. Mützen oder sonst was über dem Kopf, ich weiß nicht, was. Sie warfen sich ja sofort auf mich. Ich konnte nicht einmal schreien. Sie drückten mir sofort den Mund zu. Außerdem drohte mir der eine augenblicklich Gewalt an, wenn ich nicht ruhig bliebe.«
»Einer sprach also mit Ihnen. Oder beide?«
»Beide?« Müller überlegte kurz, schüttelte dann den Kopf. »Nein, wenn ich mich richtig erinnere, hörte ich nur einen sprechen. Der andere gab nichts von sich.«
»Weil er oder sie Angst hatte, Sie würden ihn oder sie an der Stimme erkennen?«
»Mein Gott, glauben Sie das ehrlich? Ein Bekannter von mir?« Der Mann war so schockiert, dass er kaum weitersprechen konnte. »Aber, aber, wer …« Er verharrte minutenlang in seinen Gedanken, reagierte erst nach einer Weile wieder auf ihre Fragen.
»Meinen Sie, bei einem der Täter könnte es sich um eine Frau handeln?«
»Eine Frau? Nein. Das waren Männer. Mittelgroße, kräftige Männer.«
»Sie sind sich sicher?«
»Sicher? Mein Gott …« Müller verlor von Minute zu Minute an Selbstsicherheit. »So habe ich die in Erinnerung. Aber nur von dem Moment her, als ich die Tür öffnete. Danach hatte ich ja keine Chance mehr …« Er zögerte, bat sie dann, ihm Zeit zu geben, alles überdenken zu können. »Ich weiß, Sie benötigen jetzt so schnell wie möglich Informationen über das alles. Aber ich fürchte, wenn ich jetzt weitermache … Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich es korrekt wiedergebe. Jetzt, im Moment, meine ich.«
Braig und Neundorf waren sich über die Problematik der Befragung im Klaren, hatten ähnliche Situationen oft genug schon erlebt. Sie sahen daher keinen Anlass, den Mann über Gebühr in Beschlag zu nehmen.
»Wir können Ihre Situation sehr gut nachvollziehen und werden uns gleich zurückziehen. Nur noch zwei, drei kurze Fragen: Gibt es beruflich oder privat Personen, mit denen Sie in letzter Zeit oder schon vor Längerem Auseinandersetzungen hatten?«
»Beruflich oder privat?« Müller musste nicht lange überlegen, zu einer Antwort zu finden. »Natürlich kommt es beruflich oft zu Auseinandersetzungen. Ich bin Leiter einer Getränkemarktkette. Was glauben Sie, wie oft wir mit Diebstahl zu tun haben. Nicht nur mit kleineren Mengen, nein, da gibt es professionell arbeitende Banden, die uns ganze Paletten oder gar Lastzüge stehlen oder es zumindest versuchen.«
»Hat Ihnen deswegen irgendjemand Rache angekündigt oder Sie sonst wie bedroht?«
»Rache? Was heißt Rache? Im Affekt, wenn wir solche Typen erwischen, drohen die uns alles an. Dass die unser gesamtes Lager in Stücke schlagen, alle Getränke vergiften und und und. Aber das haben wir noch nie ernst genommen.«
»Fällt Ihnen jetzt auf die Schnelle ein Name ein, den Sie mit diesem Überfall verbinden würden?«
Müller schüttelte den Kopf. »Diese Brutalität, so einen Sadismus? Nein.«
»Es würde uns aber sehr viel helfen.«
Der Mann drehte seinen Kopf zur Seite, überlegte. »Sie müssen mir Zeit geben, ich schaffe das jetzt nicht. Tut mir leid.«
»Ja, das ist nachvollziehbar nach dem Schock, dem Sie ausgesetzt waren.« Neundorf signalisierte Verständnis. »Eine Frage hätten wir noch zum Schluss: Sagen Ihnen die Namen«, sie sprach sie langsam und Buchstaben für Buchstaben deutlich betonend aus, »Robert Allmenger und Christian Fitterling etwas?«
Müller reagierte sofort. »Allmenger?« Er legte seine Stirn in Falten, schaute fragend von einem der Kommissare zum anderen. »Ist das nicht der aus den Nachrichten, den sie in die Badewanne …« Er hielt inne, schlug sich mit der rechten Hand an den Kopf. »Oh mein Gott, glauben Sie etwa, das hängt mit dem zusammen? Das kann doch nicht sein! Nein, den kenne ich nicht. Nur aus den Nachrichten.«
»Sie sind sich sicher?«
»Ja, natürlich. Ich habe im Radio davon gehört und im Fernsehen einen Bericht gesehen. Aber sonst …«
»Und Christian Fitterling?«
»Fitterling?« Müller schüttelte den Kopf. »Nein, nie gehört. Wer soll das sein?«
25. Kapitel
Michael Fitterlings Lügengebäude hatte von Minute zu Minute an Stabilität
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