Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer
gstande«, gab er zu.
»Dei Sabine? No weiß i jetzt scho, wie gut der schmeckt. Mir lauft uf jeden Fall jetzt scho ’s Wasser im Maul zamme«, feixte eine Frau.
»Aber was isch mit meiner schlanke Linie?«, rief ihre Nachbarin. »Des isch doch a Kaloriebomb!«
»Hano, Marianne, du kannsch des doch gut vertrage. Im Gegesatz zu mir. Du hasch koin so Ranze wie i.«
Es dauerte nur wenige Minuten, bis die Torte zerschnitten und auf die bunten Pappteller verteilt war. Einer nach dem anderen nahm eines der üppigen Stücke entgegen, naschte von den Früchten, dem Teig und der Sahne. Die Ansage des Schaffners, dass der Zug in Kürze in Plochingen eintreffen werde, ging in den begeisterten Lobeshymnen der Gruppe unter.
»Also, der schmeckt oifach wunderbar!«
»Ehrlich gsagt, Hannes, dass du so was Gutes na kriagsch, hätt i dir net zutraut.«
»Noi, des glaubsch net. Des isch a Delikatess. Des gibt’s in koiner Konditorei.«
Braig hatte den feinherben, von einem kräftigen Kirschwasser-Aroma gesättigten Duft in der Nase, spürte das Grummeln in seinem Magen. Ewigkeiten schien es her, seit er das letzte Mal etwas gegessen hatte.
»Was isch mit Ihne? Dürfet mir Ihne a Stückle abiete?«
Er schaute zur Seite, hatte die freundlich lächelnde Miene einer jungen Frau vor sich.
»Hano ja«, rief ihr Begleiter, »jetzt lasset den Mann net bloß zugucke. Dem zerreißt’s ja vor lauter Heißhunger de Bauch, wenn mir älle so schmatzet.«
Braig hörte die johlenden Kommentare, wehrte sich nicht gegen das prächtige Tortenstück, das ihm samt Gabel gereicht wurde. Er steckte seine Unterlagen weg, bedankte sich, nahm den Teller entgegen. Mehrere erwartungsvolle Blicke verfolgten ihn, als er die erste kleine Kostprobe zum Mund führte. Das kräftige Aroma des saftigen, aus jeder Pore Kirschwasser atmenden Teigs nahm seine Geschmackssinne von der ersten Sekunde an gefangen. Noch bevor seine Zunge das feine Backwerk erspürte, hatte er den herb-würzigen Duft der alkoholischen Ingredienzien in der Nase. Ein überwältigendes Geschmackserlebnis, wie er es selten erlebt hatte. Wem immer dieses Wunderwerk gelungen war, es handelte sich um einen genialen Künstler.
Er gab sich ganz dem Genuss des Augenblicks hin, sah mehrere Augenpaare erwartungsvoll auf sich fixiert. »Wunderbar«, hauchte er anerkennend. »Das haben Sie wirklich selbst gebacken?«
Der kräftige Mann wirkte verlegen. »Hano ja, mei Sabine hat mir scho a bissle gholfe.«
»Aber net viel«, meldete sich eine Frau, die eine Sitzreihe hinter dem Mann Platz genommen hatte, zu Wort, »das meischte hat er selbst gmacht.«
»Mein großes Kompliment.« Braig stippte eine Kirsche auf seine Gabel, schob sie in den Mund. »Mit echtem Kirschwasser. Das Aroma verzaubert den ganzen Kuchen.«
»A gutes Drittel«, erklärte sein Gegenüber stolz. »Beinahe hätt i die ganze Halbliter-Flasch in den Teig neigschüttet. Wenn mi mei Sabine net bremst hätt …“
»No dätet mir jetzt scho singe und net erseht heut Abend«, rief eine Frau.
Lauter Beifall und Gelächter setzten ein. Braig nutzte die Ablenkung, ließ sich die Torte schmecken. Vom ersten bis zum letzten Bissen sah er sich in seinem Urteil bestätigt. Stück für Stück ein Hochgenuss. Alles stimmte: Die Würze des Teigs, dessen Konsistenz, die Süße der Früchte und der Sahne, die Abfolge und Stärke der einzelnen Schichten, die Zusammensetzung des ganzen Kuchens. Schade nur, dass es keine Möglichkeit gab, Ann-Katrin ein kleines Stück davon mitzubringen. Zu gerne hätte er sie an seinem Genuss teilhaben lassen.
Der Zug hatte Nürtingen erreicht, als die ersten Sektgläser kreisten. Braig sah sich trotz zaghafter Abwehr in die Gruppe einbezogen.
»Des bissle spüret Sie net«, beschwichtigte ihn die junge Frau hinter ihm, »der Kuche wirkt wie ein Schwamm. Der saugt den Alkohol auf.«
Sie prosteten einander zu, tranken auf das Wohl einer jungen Ehe.
»Die hent heut ihren ersten Hochzeitstag«, erklärte der Tortenbäcker auf Braigs Frage nach dem Anlass der fröhlichen Ausflugsfahrt, auf das einzige ältere Paar der Gruppe deutend, »mei Mutter und ihr neuer Mann. Zwölf Jahr war se verwitwet und vor einem Jahr hat se dann doch noch den Mut ufbracht. Aber erst, nachdem mir Kinder ihr koi Ruhe mehr glasse hent. Drei Kerle und zwei Mädle.« Er wies auf die Frauen und Männer in seiner Umgebung, berichtete Braig von ihrem Vorhaben, Tübingen zu besuchen und ganz besonders die Neckarinsel, »dort glei nebe
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