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Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer

Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer

Titel: Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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keine geschäftliche, sondern eine private Problematik? Eine der üblichen Beziehungs-Streitereien, die – aus welchen Gründen auch immer – eskaliert und zum Totschlag, wenn nicht gar Mord ausgeartet war? Der Großteil aller Gewaltverbrechen wurzelte in diesem leicht entflammbaren Gefühlsgeflecht, wusste er aus Erfahrung, viele, allzu viele Delikte, um deren Aufklärung er sich hatte bemühen müssen, waren diesem logischen Argumenten weitgehend unzugänglichen Bereich des menschlichen Miteinanders zuzuschreiben. Hatte er es auch im vorliegenden Fall mit einer privaten Verzweiflungstat zu tun?
    Braig musterte die Miene der Frau, versuchte sich auf die wichtigsten Fragen zu konzentrieren. Hatte Fitterling seine Partnerin, obwohl sie seinen Informationen nach erst vor Kurzem zusammengezogen waren, betrogen? Wie war sie überhaupt auf die Idee mit der nächtlichen Fahrt zu der anderen Frau gekommen? »Woher wollen Sie das wissen?«, fragte er.
    Eva Seibold rang um Atem, stöhnte laut. »Das Telefon«, sagte sie dann. »Die Nummer von einer der Schlampen, ich habe sie gesehen.«
    »Auf dem Display?«
    Die Frau nickte mit dem Kopf. »Als er weg war. Ich bin misstrauisch geworden, habe es überprüft. Sie war so dreist, auf dem Festnetz anzurufen. Es ist die Nummer der Schlampe aus Hechingen.«
    »Sie kennen sie?«
    Sie gab keine Antwort, heulte plötzlich los. Tränen perlten aus ihren Augen, rannen ihr über die Wangen. Stollner zog ein Papiertaschentuch aus einer angebrochenen Packung, reichte es ihr. Sie benötigte mehrere Minuten, wieder zu sich zu finden, tupfte sich dann das Gesicht gründlich ab.
    »Die Telefonnummer«, fragte Braig. »Dürfte ich sie bitte haben?« Er merkte, dass die Frau nicht reagierte, sein Anliegen wohl nicht verstand, wiederholte seinen Wunsch. »Die Nummer der Frau oder ihren Namen. Wenn Sie mir die bitte geben könnten?«
    Sie deutete ein zustimmendes Kopfnicken an, griff mit zitternden Händen in ihre Hosentasche, zog ein zusammengefaltetes, völlig zerknittertes Blatt daraus hervor, reichte es ihm. Er nahm es entgegen, strich es zurecht, sah ein handgeschriebenes Verzeichnis weiblicher Namen samt Telefonnummern und E-Mail-Adressen vor sich.
    »Die Schlampe aus Hechingen«, wiederholte sie mit brüchiger Stimme, auf das Papier deutend.
    Ausnahmslos Frauen, vergewisserte er sich, als er die Zeilen überflog, das ist tatsächlich eine Auflistung von verschiedenen, weiblichen Namen samt deren Adressen.
    Er sah ihr aschfahles Gesicht, war sich bewusst, wie sehr ihr seine Fragen zusetzten. Er musste das Gespräch beenden, durfte sie nicht länger mit der Erinnerung an die erfreulichen und weniger erfreulichen Momente ihrer heute Nacht abrupt beendeten Beziehung konfrontieren. Sie hatte genug unter dem Geschehen zu leiden, benötigte wahrscheinlich Wochen und Monate, um wieder zu einem einigermaßen normalen Leben zu finden. Es sei denn …
    Die Möglichkeit, Eva Seibold aus einem anderen Blickwinkel zu sehen, tauchte für den Bruchteil einer Sekunde in sein Bewusstsein. Was, wenn die von ihrem Partner betrogene Frau nicht Opfer, sondern …
    Er sah das Blatt vor sich, die Auflistung fast eines ganzen Dutzends von Frauen. Alles »Schlampen«, mit denen Fitterling ein Verhältnis gehabt hatte? Was, wenn Eva Seibold das alles überfordert, der Schmerz und die Eifersucht ihre Liebe in Hass verwandelt hatte? Wenn ihre Seele revoltiert, ihr nur noch einen Gedanken eingebrannt hatte: Rache zu üben für den vielfachen, über längere Zeit hinweg mit wechselnden Partnerinnen vollzogenen Betrug? Handelte es sich bei dem Verbrechen also um eine im Affekt ausgeführte Attacke gegen die Person, der Eva Seibold am meisten vertraute und von der hinters Licht geführt zu werden ihr die größte Qual verursachte?
    Braig wollte den Gedanken nicht weiterspinnen, beschloss, nachher, nach Verlassen des Hauses, Stollner nach dem Wagen der Frau zu fragen. So taktlos es auch schien, ganz durfte er ihn nicht beiseite schieben.
    »Der Tee. Willst du nicht noch einmal davon trinken?«
    Stollners Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Der Mann hatte sich erhoben, die Tasse aufgenommen und sie Eva Seibold in die Hand gedrückt. Braig beobachtete, wie die Frau die inzwischen etwas abgekühlte Flüssigkeit an den Mund führte und in kleinen Schlucken davon trank.
    »Das tut gut, oder?«
    Sie reagierte nicht auf die Bemerkung des Bürgermeisters, umklammerte die Tasse mit beiden Händen, als suche sie an ihr Halt.
    »Ich

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