Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer
mehrere Tage weg?«
»Mittwoch und Donnerstag, ja. Seit gestern Abend bin ich zurück.«
»Aber am Dienstag waren Sie noch hier.«
»In Haigerloch? Nein. Zu meiner Schwester …«
»Darf ich fragen, wo Sie sich am Dienstag aufgehalten haben?«, fiel Braig ihr ins Wort.
»Ich habe gearbeitet. Ganz normal.«
»Als Lokomotivführerin?«
»Ja. Ich habe Ihnen am Telefon doch erklärt, welchen Beruf ich ausübe.«
Braig nickte. »Ja. Ich wollte mich nur noch einmal vergewissern, dass ich es richtig verstanden habe.« Er wurde von ihrem kräftigen Niesen unterbrochen, wartete, bis sie sich die Nase geputzt hatte. »Herrn Fitterling, wann haben Sie den zuletzt gesehen?«
»Christian?« Sie kniff ihre Stirn zusammen, überlegte. »Oh, das ist schon eine Weile her.«
»Geht es etwas genauer?«
»Genauer? Mein Gott, was weiß ich. Die Sache mit Christian ist schon lange vorbei. Mindestens zwei Monate.«
»Wie lange waren Sie mit ihm zusammen?«
»Wie lange? Fragen Sie das jetzt alle seine Verflossenen?« Sie hatte ein spöttisches Grinsen in ihrer Miene, schien auf eine Antwort zu warten. Erst als Braig nicht reagierte, setzte sie ihre nächsten Worte hinzu. »Dann sind Sie eine Weile beschäftigt und mehrere Kollegen von Ihnen dazu.« Sie lachte laut. »Aber das wissen Sie inzwischen ja wohl schon.«
Der Kommissar wartete, bis sie sich wieder beruhigt hatte, verzichtete darauf, seine Frage zu wiederholen. Indirekt hatte sie sie ja beantwortet. Es handelte sich um eine kurze Beziehung, so viel war klar. Er konzentrierte sich auf sein primäres Anliegen, formulierte es deutlich. »Was wollte Herr Fitterling am Dienstagabend bei Ihnen?«
»Bei mir? Mein Gott, wie oft soll ich das noch sagen, die Sache ist längst vorbei! Sie sind auf dem Holzweg.«
»Weshalb haben Sie ihn dann angerufen?«
»Wann?«
»Jetzt tun Sie doch nicht so scheinheilig. Am Dienstagabend. Das wollen Sie doch wohl nicht abstreiten?«
»Ach so, der Anruf.« Die Frau schaute mit verblüffter Miene zu ihm her.
»Sie haben sich mit ihm verabredet.«
Die Antwort auf seine Behauptung erfolgte sofort. »Quatsch, verabredet. Bei dem Anruf ging es um etwas völlig anderes.«
»Um was, wenn ich fragen darf?«
»Um den Lastwagen. Ich war unterwegs, im Dienst, fuhr die Regionalbahn von Sigmaringen nach Tübingen. Da sah ich plötzlich wieder einen seiner Lastwagen.«
»Einen Lastwagen seiner Firma? Und deswegen rufen Sie ihn am späten Abend extra an?«
Janet Reiss’ Miene verfinsterte sich deutlich. »Sie sind nicht über die Angelegenheit informiert?«
»Über welche Angelegenheit?«
Die Frau reagierte mit kräftigem Kopfschütteln. »Also, das müssen Sie schon mit Christian …« Sie wurde sich ihres Fehlers augenblicklich bewusst, schluckte kurz, winkte dann mit der rechten Hand ab. »Sprechen Sie mit jemand von der Firma, am besten mit Christians Bruder, die klären Sie schon auf, was es mit diesem Lastwagen auf sich hat. Von mir erfahren Sie darüber kein Wort. Ich weiß nicht, ob die Interesse haben, die Polizei einzuschalten.«
Braig nahm den entschlossenen Gesichtsausdruck der Frau wahr, notierte sich den Sachverhalt. »Sie behaupten also, Christian Fitterling trotz Ihres Anrufs am Dienstagabend nicht getroffen zu haben, verstehe ich das richtig?«
»Das verstehen Sie richtig, ja. Ich informierte ihn über den Lastwagen, sonst nichts.«
»Darf ich fragen, womit Sie an diesem Abend beschäftigt waren? Habe ich das richtig verstanden, Sie waren unterwegs mit der Bahn?«
»Allerdings.«
»Zu welcher Zeit und wie lange?«
»Den ganzen Abend«, antwortete Janet Reiss, »bis dreiundzwanzig Uhr.«
»Das lässt sich nachweisen, nehme ich an?«
»Das lässt sich allerdings nachweisen, ja. Ich fuhr an dem Abend zwei Mal von Tübingen nach Sigmaringen und zurück und dann mit dem letzten Zug nach Hechingen. Da saßen insgesamt mehrere hundert Leute drin. Sie können die ja fragen, ob sich der Zug bewegte oder den ganzen Abend über nur im Bahnhof stand. Und dann rufen Sie noch bei der Lokleitung der Hohenzollerischen Landesbahn an und verlangen die Dienstpläne von Dienstagabend. Vielleicht sind Sie dann endlich zufrieden.«
»Das werde ich tun, danke«, erklärte er, fragte dann nach dem ominösen Lastwagen. »Wann und wo haben Sie dieses Fahrzeug gesehen?«
»Das war auf der Rückfahrt nach Tübingen zwischen Nehren und Dußlingen, dort, wo die Bahnlinie die Nehrener Straße überquert. Wir waren pünktlich, ich schaute auf meine
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