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Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Titel: Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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und tödlich aussehenden Stecknadeln
die Hosenbeine einer Försterhose abzustecken, die dafür aber den
wettergegerbten Charme des alten Charlton Heston hat.
    Diesen urigen, um nicht zu sagen, warmherzigen Charme spielt
sie allerdings nur aus, wenn man ein Held der Ardennenoffensive oder David
Niven persönlich ist – andernfalls hat man unmittelbar nach Ertönen des
analogen Jagdhorns, das die Türglocke ersetzt, verschissen.
     
    Ich benötigte einen Hornknopf für meine Oma, also blieb mir
keine Wahl. Fünf dieser Knöpfe prangten auf dem unfassbar gestärkten
Kleidungsstück, das sie »die rustikale Bluse« nannte. Einer dieser Schlingel
hatte sich in Nabelhöhe aus dem Staub gemacht, als einer ihrer Tanztees wie
üblich in eine bizarre, eierlikörschwangere Limbonummer ausgeartet war. Nun war
es an mir, Ersatz zu beschaffen.
    Das Jagdhorn spielte »Fuchs ist tot«, als ich eintrat.
    »Boah«, entwich es mir, während ich mich umsah. Seit meinen
Kindertagen, als der Alte uns Kindern Geschosshülsen aus dem zweiten Weltkrieg
»zum Basteln« geschenkt hatte, war hier viel passiert. Manchmal waren sie noch
scharf gewesen, und es hatte immer ein großes Hallo gegeben, wenn einer von uns
ohne Ohrläppchen heimgekommen war.
    Ich hatte einen kurzen Moment, mich zu orientieren. Zwei
Sekunden, in denen ich feststellte, dass man nun auch Großwildjägerturbane
bestellen konnte, die dann individuell mit Namen und entsprechendem Pipapo
bestickt wurden. Auf einem Styroporkopf thronte so ein Teil, und auf der Stirn
des gewickelten Satingewusels stand:
    »Hier könnte Ihr Name stehen.«
    Dann löste sich der Baron der Käsigkeit, der Meister höchst
selbst, aus einer beschatteten Ecke.
    »Harrg!«, atmete ich lautstark aus, während mir zwei Fragen
durch den Kopf schossen:
    1. Spielten wir hier Heckenschütze und Blödmann, verdammt?
    2. Wo war seine Tochter? Berufsschule?
    »Wie kann ich helfen?«, herrenmenschelte er nasal und trat
auf mich zu, wobei seine Schuhe seltsame Geräusche produzierten. Das mochte an
dem PVC-Belag mit Fasanenmotiv liegen, aber ich tippte trotzdem auf seine
Stiefeletten, die einem Nussknacker vortrefflich zu Gesicht gestanden hätten.
    »Ich brauch ’n Knopf«, sagte ich.
    »Hat Er ein Exemplar dabei?«, schnarrte er missvergnügt in
der dritten Person, als ihm klar wurde, dass ich nicht geneigt war, eine
Edelstahlreplik von Winnetous Donnerbüchse oder so was zu kaufen.
    »Nö. Deswegen brauch ich ja einen, irgendwie«, konterte ich
verwegen.
    »Junger Freund«, sagte er, ohne mich anzusehen, »kein Knopf
ist wie der andere, wenn man so will.«
    Er starrte durch das Schaufenster, dessen Glas noch
Schlieren einer Reinigung mit Kernseife aufwies, und schien einen weit
entfernten Punkt im Universum zu fixieren. Vielleicht war es auch ein
Jagdrevier voller fußlahmer Wildarten, die selbst ein Kerl in Nussknackergaloschen
stellen, töten und herunterschlingen konnte.
    »Jaha«, konterte ich, »mag sein. Aber zumindest an der Bluse
meiner Oma waren fünf identische Knöpfe, Horngedöns, rund, dunkelbraun, vom
Durchmesser eines Frolic, rustikale Optik. Kann ich Ihnen aufmalen.«
    Ptak!
    Ptak!
    Ptak!
    Mit der leichten, federnden Eleganz eines Ambosses trat er
so dicht vor mich, dass ich die Poren seines Kinns sehen konnte, in die sich
die Überlebenden seiner letzen Radikalrasur zurückgezogen hatten. Die Haut war
schwer gerötet, und ich stellte mir vor, wie hirnlose Barthaare lautlos
kreischten, während er ein stumpfes Bundeswehrmesser über seinen Hals zog und
»was uns nicht tötet, härtet uns ab« murmelte.
    »Dann male Er es auf«, schnarrte er und riss einen Block aus
seiner Brusttasche.
    Es war nur noch ein Blatt vorhanden, und auf dem hatte er
eine Zeichnung hinterlassen.
    Sie zeigte einen Werwolf mit Gasmaske, der eine schartige
Sense hielt, und darunter stand in schmerzhaft zackiger Schrift: »Der Hund
bleibt Dir im Sturme treu, der Mensch nicht mal im Winde«
    »Schönes Tier«, sagte ich im Affekt, »Schäferhund?«
    Seine Augen waren wie Glasmurmeln, und ich sah mich eine
Sekunde lang ausgestopft in einer dunklen Ecke des Ladens stehen, bekleidet mit
nichts als dieser dämlichen Frottee-Unterhose mit Spiderman drauf, die ich
heute Morgen in einem Anfall von Originalität angezogen hatte.
    Ich begann zu zeichnen.
    »Haben Sie einen … äh … braunen Buntstift?«
    Seine Augen begannen zu leuchten.
    »Braun? Bund?«
    »Ne. Oha. So einen Stift, Farbe: Braun, Herr … äh …«,
stammelte

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