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Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Titel: Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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»Kaschuppke« oder so enden, und da war ein isoliertes
Leben im Auto doch eine echte Alternative.
    Wir standen an; die Schlange war beachtlich, aber ein Ende
war in Sicht – denn da waren wir: ein verzweifelt aussehender Mann, links und
rechts von sich zwei Mädchen, auf deren Kleidung eine Frau ohne Unterleib und
ein debiler Kerzenständer abgebildet waren.
    Ich habe nichts gegen Anstehen. Kenne ich noch aus meiner
Bundeswehrzeit.
    Allerdings gab es damals als Belohnung wenigstens einige
Scheiben halbherziger Mortadella-Imitation zum Frühstück, während hier nur mit
herumgleitenden Plüschsäcken aufgewartet wurde.
    Kaum waren siebzig Minuten verstrichen, standen wir schon in
der Halle.
    Die Eisfläche war bunt beleuchtet, was man von meiner
Gemütslage nicht behaupten konnte; andererseits wartete ich genauso auf
Ausfüllung der eisigen Leere wie alle hier, nur dass diese in meinem Innern
war.
    Die ehrwürdige Westfalenhalle war voll bis unters Dach. Das
Licht erlosch, und unter den beginnenden Klängen einer Disneymelodie
schruppte »Aladin« übers Eis, der aussah wie mein häufig frequentierter
Dönermann, nur dass er sich etwas schneller bewegte.
    Die Kinder jauchzten.
    Ich glaube, ich schrie auch.
    Wenige Minuten später rutschte King Kong heran; er war wie
eine Tunte gekleidet und hatte ein dünnes Mädchen im Schlepptau, die Playback
sang und es schaffte, dabei unablässig zu grinsen. Es war zuviel.
    »---------«, sagte ich tonlos zu den Kindern, indem ich meine
Lippen verformte.
    Eine zuckersüße Lärmwelle hatte uns alle überrollt.
    Sie verstanden: Onkel Torsten holt sich was zu trinken.
    Ich passierte voller Angst, dass ich diese Musik für immer
in meinen Träumen hören würde, Heerscharen von Marvins und Jaquelines, bis ich
die Tür erreichte, die zu meiner grenzenlosen Dankbarkeit nicht verrammelt und
vernagelt war.
    Der feiste Mann, der den Bierstand bewohnte, schaute mich
mitleidig an.
    »Was haben Sie?« Seine Stimme war voller Mitgefühl.
    »Die Frage muss lauten, was haben SIE«, erwiderte ich.
    »Alles.«
    »Doppelkorn?«
    »Sprech’ ich polnisch?« erwiderte er. »Wenn ich alles sag,
mein ich alles.«
     
    Ich bin mir ziemlich sicher, im Laufe der folgenden Stunde
von zwei bunten Schemen angesprochen worden zu sein, die eine gewisse
Ähnlichkeit mit meinen Nichten hatten. Beschwören kann ich es nicht. Ich
erinnere mich an launige Gesprächsfetzen, die meinen Wunsch zum Ausdruck
brachten, man möge »Shining on Ice« inszenieren, oder wenigstens »Goodfellas
auf Kufen«, aber nicht daran, von zwei zeternden Kindern zum Taxistand
geschleift worden zu sein.
    Auch entsinne ich mich dunkel, dem wabernden Mann im
Bierstand einen Fünfzig-Euro-Schein gegeben zu haben, aber nicht, irgendwelches
Papiergeld zurück erhalten zu haben.
    Ein déjà vu dieser Szene ereilte mich am Ende unserer
Taxifahrt.
     
    Wie gesagt: Ich weiß nicht mehr viel.
    Allerdings kann ich jetzt nachvollziehen, warum man sich im
Angesicht von Micky-Maus-Comics betrinkt.

 Bring mir den Knopf von Oma Garcia
    Anspruch:              
*
    Metapherndichte:    **
    Lerneffekte:           
*
    Romantik:              
*
    Action:                   
**
    Sex:                        
*
     
    Shopping in Dortmund, das ist wie Essen auf Rädern: Wenn nix
mehr geht, nimmt man halt was da ist, und im Falle von Dortmunds
Einkaufsmöglichkeiten entspricht das einer gedämpften Schonkost-Wirsingroulade,
die eine anämische Mittvierzigerin in einer Schale durchs Treppenhaus schleppt,
die erst in sechs Millionen Jahren zerfällt; die Schale, nicht die
Mittvierzigerin – jene ist nämlich derart über ihr Verfallsdatum, dass auch
knallharte Restaurierungsmaßnahmen wie tätowierte Augenbrauen und wasserdichte
Fleece-Blusen mit Foxterriern darauf nicht mehr fruchten.
     
    Diese Blusen kauft man am besten in einem Geschäft für
»Jagdmode« an der Bornstraße.
    Die Frage, wozu der durchschnittliche Dortmunder
Jagdkleidung benötigt, stellt sich nicht, wird aber auch von niemandem
gestellt. Der Besitzer des Ladens ist ein etwa hundert Jahre alter Mann mit
bleistiftdünnem Schnurrbart, der gerne Trachtenjacken trägt, deren Revers noch
die Einstichlöcher dubioser Plaketten aufweisen.
    Wie dem Stadtspiegel zu entnehmen war, wird er demnächst
sein Geschäft an seine zweiundsiebzigjährige Tochter abgeben, der man zwar
verbieten möchte, einem mit fahrigen Händen

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