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Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Titel: Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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Estée Lauder-rubinrot gerahmtes Loch
der Verwunderung.
    »Was sagt euch der Begriff Falscher Hase?«
    Ich wartete keine Antworten ab.
    »Okay: Falscher Hase gleich Fake. Fakehase sozusagen. Ist
ja, regionalküchentechnisch betrachtet, gar kein Hasenbraten, das. Hm? Korrekt?
Astrein. Und jetzt kommt’s: Man beachte den Terminus der christlichen
Weihnacht. Heißt es, Herrschaften, etwa Christmesse? Waaaas? Nö. Man sagt Christmette .
Was fällt euch auf? Na?«
    Ich schnippte triumphierend mit dem Finger.
    »Genau. Das gleiche mit Lametta . Seltsames Wort,
nicht wahr, zudem italienisch. ILLUMINATI! HALLO! Alles klar? Mett! Christ mett e!
La mett a! Mett! Hackfleisch, landläufig betrachtet. Woraus ist Falscher
Hase? Hackfleisch. Lametta. Eine Täuschung, die sich bis in die
Christbaumdekoration zieht. Infiltration christlicher Werte. Diese Illuminati
sind genial. Unterwandern das bürgerliche Streben nach weihnachtlicher
Harmonie, höhlen das Fest der Liebe aus! Weihnachten ist Hackfleisch! Sagt
nicht, ihr hättet nicht auch schon dran gedacht. Illuminati. Zack! Irgendwer
schreibt sicher noch ’n Buch über den Verein.«
    Auch Bennos Kopf ruckte nun herum, genau zur richtigen Zeit.
    »Halt noch mal. Ich muss schon wieder.«
     
    Heilig Abend.
    Das Fest der Liebe, ja, ja.
    Ich pinkelte einen Tannenbaum in den Schnee am Straßenrand,
während ich den Stern von Bethlehem betrachtete, glimmend, im Dunkel
verschwindend.
    Zwei Sterne, um genau zu sein. Konnte am Sekt liegen.
    Seltsam trotzdem: Vom Wegesrand aus betrachtet wirkten sie
wie die Rückleuchten eines Volvo.
    Ein Wunder, keine Frage.

Karneval
     
    Anspruch:              
*
    Metapherndichte:    **
    Lerneffekte:           
****
    Romantik:              
*
    Action:                   
***
    Sex:                        
*
     
    Uwe und Dave riefen an. Es war einer der seltenen Anlässe,
zu denen beide in einem Raum anwesend waren, obschon sie sich in ihren
Eigenschaften zueinander verhielten wie Styropor zu Rohrfrei. Uwe war
überzeugter Träger kleinkarierter Buttondown–Hemden und hielt Söhnlein Brillant
und Musik von Chris de Burgh für die ultimativen Verführungswerkzeuge.
    Dave (eigentlich David, aber das Biblische des Namens passte
nicht so ganz zu seiner Friss-Scheiße-und-stirb-in-deinen-Stiefeln–Attitüde)
war ein herzensguter Junge, der trotzdem nie verwunden hat, dass sein Vater
Steuerberater und nicht der Boss eines okkulten Templerordens war. Er trägt nur
Leder, und irgendwo in einem türkischen Schneidereihinterhof liegt der nackte
Leichnam einer Kuh, die ihre Haut spendete, damit Dave von Kopf bis Fuß ein
knarrender, mit Nieten bewehrter Wüstling sein kann.
     
    Grund ihres Anrufes war eine Festivität unseres Dorfes; der
Pyjama-Ball, pünktlich wie üblich zelebriert am Sonntag vor Rosenmontag.
    Landläufig versteht man unter »Ball« etwas, bei dem der
junge Karl Heinz Böhm in zu engen Lackschuhen an einem vorbei schwebt, während
das Orchester die Coverversion eines Strauss-Walzers gibt, die wie warme
Margarine ins Ohr rinnt.
    Bei uns bedeutet das Folgendes: Ein Zelt von der Größe einer
kleinen Stadt wird wie ein geschmackloses Präservativ über den Marktplatz
gestülpt. Hernach werden rasch 5000 Quadratmeter Bohlen verlegt, auf dass
randalierende Feigling-Trinker, in Sack umspannendem Nachtzeug, das eine
oder andere Brett vom Boden entnehmen können, um es wegen irgend einer
Nichtigkeit dem Nächstbesten über den Schädel zu ziehen. Damit auch
hundertprozentig gewährleistet ist, dass diese Entnahmen von Hartholz zum
Zwecke sinnentleerter Fremdenzüchtigung stattfinden, karrt man busweise
Holländer an. Das Geräusch von biernassem Holz auf biernassem Kopf ist auf
Dauer übrigens derart nervig, dass man zur Übertönung regionale Coverbands
castet. Diese spielen dann die ersten nüchternen fünfzehn Minuten »Das ist
Wahnsinn, warum schickst du mich in die Hölle«, um anschließend, wenn man das
selbst schreien möchte, alles mit Billy-Idol-Variationen einzustampfen.
    »So gesehen hab ich keinen Schlafanzug«, warf ich ein.
    »Ich leih dir einen«, kam Uwe mir zu Hilfe.
    Ich konnte mir nichts Schöneres ausmalen, als in ein
Polyester-Ensemble von ihm zu schlüpfen, durch dessen Hose er vermutlich in
mitternächtliche Daunen blähte, während John-Sinclair-Hörspiele seinen Schlaf
durchwaberten.
    »Vielleicht habe ich doch einen. Was zieht denn Dave

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