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Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Titel: Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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die
Diskussion richtig entfalten konnte.
    »Ich fahre jeden Sommer nach Antalya«, brüllte der männliche
Tschibo-Anzug vom Boden aus in finstere Gesichter, die diese Bemerkung mit
»Alder, bist du völlisch kaputt?« quittierten und leger an den Strickkragen des
frisch Gelandeten griffen, um ihrer Nachfrage die nötige Tiefe zu verleihen.
    »Lasst mal, Jungs«, grölte ich, »das war ein Versehen.«
    Ich wies unterstützend auf den zwei Meter großen Dave, der
noch immer in satanischem Aerobic aufging und keine Gefangenen in seinem
Bemühen machte, junge Frauen anzutanzen.
     »Sagst du deinem Kollegen, er soll hier keine Randale
machen, sonst machen wir – alles klar?«
    »Jawohl«, erwiderte ich.
    Der Anführer der Gruppe trat einen Schritt auf mich zu; ich
sah einen goldenen Panther, der, obschon an die Kette gelegt, in dichtem
Brusthaar auf der Lauer lag.
    »Was ist mit dem hier, Kartoffel?«, fragte er und wies auf
den Gestrickten, der allmählich in die am Boden befindliche Mischung aus Bier,
Likör und Schweiß einzusickernd begann, als wäre er ein im Treibsand
versinkender Handlanger aus einem Indiana Jones-Streifen.
    »Wen nennst du hier Kartoffel?«, kam Uwe mir zur Hilfe.
    Oha.
    Uwe war zur berüchtigten gläsernen Todesschnecke mutiert,
eine fatale Symbiose aus Fass ohne Boden und lahmarschigem Power Ranger: Sein
Mut war beachtlich – vor allem wenn er eine Schleimspur aus leeren Doornkaat-Fläschen
hinter sich ließ.
    Er war dann halt nur ein wenig langsam.
    »Wer bis du denn?«, fragte der Türke.
    »Dein schlimmster Alptraum«, lächelte Uwe träge, und
zumindest was seine Kleidung anging, war er da sicher auf dem richtigen Weg.
    »Isch kann dich gerne platt machen.«
    »Wartet mal«, warf ich ein, das Zelt nach einem rotierenden
Dave absuchend, »warum vertragen wir uns nicht? Schau mal: Ihr Jungs hier
behaltet den gefallenen Tschibokrieger, wir gehen ein bisschen weg und ihr
kriegt euch wieder ein. Hm? Wär das was? Sag mal ja. Wie?«
    Der türkische Mann öffnete den Mund...
    … und dann barst Dave wie ein Brummkreisel in unsere kleine
Zusammenkunft; er versprühte Schweiß wie ein Rasensprenger, brüllte »BOLLOK!«
und kegelte neun Unbekannte im direkten Umfeld.
    Konnte man klar als STRIKE geben, obwohl sie gerade »Da
steht ein Pferd auf dem Flur« spielten – selbst wenn man sich literweise Schlüpferstürmer injizierte, war das keine Pogo-Nummer, aber Hauptsache Dave war da.
    »Was ist denn los hier?«, fragte David und patschte seine
nasse Pranke auf den Kopf des Leopardenmannes. »Alles im Lack?«
     
    »Gut gemacht«, sagte Uwe zwischen zwei Feiglingen – und das
waren nicht wir, sondern ein Likör, der nach eingedampftem Dörrobst schmeckt
und dessen Flasche ein lustiges Spiel enthält: Im Boden ist eine Zahl
eingeprägt, und wer die niedrigste hat, muss den anderen einen Drink gleichen
Fabrikats ausgeben.
    Mir ist schleierhaft, warum die Automobilindustrie diese
Marketingmaßnahme noch nicht für sich entdeckt hat.
    »Was denn?«, fragte Dave. »Das Tanzen? Gelernt ist gelernt.«
    Ich winkte ab; Geräuschpegel und Alkoholkonsum verursachten
nun schon seit zwei Stunden gelegentliche Systemabstürze in unserer Konversation,
aber außer mir schien das keinem was auszumachen.
    »Da! Hühner!«, brüllte Dave und wies auf ein Grüppchen
wippender Mädchen, die Bier tranken und einer infernalischen Orgelversion von
»Er gehört zu mir« lauschten.
    »Ich geh da jetzt hin«, sagte Dave in der Betonung, die
amerikanische Cops anschlagen, wenn sie im Alleingang eine kolumbianische
Drogenhöhle ausräuchern wollen, weil die Verstärkung noch zehn Minuten braucht.
    Ich machte eine weltmännische Handbewegung, die ich mir aus
einem Ferrero-Rocher-Werbespot abgeschaut hatte und die soviel wie »Wenn ich
mal tot bin wird das alles dir gehören« bedeutete.
    Eigentlich wollte ich mit dieser Geste aber »Wenn die
Schnitten anfangen dich zu demontieren, halt mich da raus, Fürst der
Dunkelheit« sagen; jedenfalls stapften zwei Meter verschwitzte
Flirtbereitschaft auf das geschminkte Freigehege zu, und mit einem Mal kamen
mir diese Mädchen sehr zerbrechlich vor.
    Uwe und ich brachten das Kunststück fertig, wie gebannt
hinüber zu starren, gleichzeitig aber das Interesse von Komapatienten
auszustrahlen; Dave baute sich vor den Mädchen auf und die Sonne verdunkelte
sich.
    Zarte Finger mit pinkfarben lackierten Nägeln umkrampften
Aludosen, getuschte Wimpern über Augen, die so manches

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