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Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Titel: Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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weigerte ich mich, mir wie ein Trottel vorzukommen.
Ich, der ich von scharfem Intellekt bin (sagt »Charakter im Sternbild der Jungfrau«),
und von stattlicher Statur (lügt meine Freundin, aber sie meint es gut), würde
ihm entgegentreten wie ein Mann.
     
    »Unter tausendachthundert Megahertz zu beginnen, wäre
Unsinn«, eröffnete er.
    »Ich will eigentlich nur schreiben können, Texte und so. Bisschen
Bildbearbeitung, bisschen Routenplaner, brennen, Ende. Geht das?«
    »Nicht so schnell. Tabellenkalkulationen? Internet?« Er
lächelte anzüglich.
    So nicht, Sportsfreund, dachte ich. »Nee«, log ich, »hab ich
da irgendwas von gesagt?«
    Seine Miene verfinsterte sich, aber er hielt sich gerade und
schaute mir direkt in die Augen.
    »Was soll gebrannt werden?« Seine Stimme war beherrscht.
    Dein Kadaver, dachte ich. Ich krieg’ dich. Ich werde dich
auch ohne Fachwissen demütigen, zerstören, kasteien.
    In meiner Tasche waren zweitausend Euro.
    »Musik.«
    »Achtundvierzig Mal?«
    Ich lachte schallend. Idiot!
    »Wenn’s geht, für immer.« Meine Stimme hatte eine ironische
Färbung angenommen.
    Nicht zuviel, wies ich mich selbst in die Schranken – lass
den Tropf zappeln.
    Er hob eine seiner Augenbrauen.
    »Hm – hm«, machte er.
    Ich fühlte das Bündel Scheine in meiner Tasche und eine
Welle der Macht durchflutete mich.
    »Ich kack dich tot mit meiner Knete«, murmelte ich fast
lautlos.
    »Bidde?«
    »Nichts. Was ist die geringste Hertzzahl?«
    »Hundert Hertz. Theoretisch. Ich habe davon gehört;
allerdings ist diese Zahl in etwa so glaubwürdig wie die These des Turiner
Leichentuchs.«
    »So etwas hätte ich gern.« Ich wollte sein selbstgefälliges
Lächeln zerbröckeln sehen.
    Erwartungsgemäß verfärbte sich die nichtssagende Visage über
den herumkaspernden Disneyfiguren ins fahl-beige.
    »Hören Sie …« Er durchstieß mit seinem fleischigen
Zeigefinger die Luft, »ein Meerschweinchen könnte besser rechnen.«
    »Als ich?«
    »Als ein Rechner mit Hundert Megahertz.«
    »Wollen Sie mir das etwa abschlagen?«
     
    »Ich will Ihnen gar nichts abschlagen. Allerdings könnten
Sie genauso gut in der HiFi-Abteilung nach einem Grammophon fragen, mein
Bester.«
    Ich spürte, wie meine Kiefer zu mahlen begannen, ohne dass
ich den Befehl dazu gegeben hätte.
    Aber ich blieb beherrscht; eine unterschwellige, aber fatale
Captain Picard/Klingonen-Szenerie bahnte sich an, und ich würde durch Vernunft
als Sieger daraus hervorgehen.
     
    »Schön. Wenn Sie nicht Willens sind meine Ansprüche zu
befriedigen …«
    Er riss seinen Arm hoch. Vermutlich wollte er seinen
Zeigefinger bedeutungsschwanger erheben.
    Bedauerlicherweise war ich zum gleichen Zeitpunkt inmitten
einer fließenden Bewegung nach vorn. Das führte dazu, dass sein Fettfinger
meine Halsschlagader traf.
    Jacky Chan hätte es nicht besser hinbekommen.
    Mein Blut, gerade aus meinem Herz erneut unterwegs Richtung
Hirn, um mir bei einer besonders geistreichen Bemerkung Schützenhilfe zu
leisten, stoppte recht abrupt auf Kropfhöhe. Die Welt verwandelte sich in einen
dieser Fettlinsenfilme von David Hamilton.
    Dann wurde alles schwarz.
     
    Ich öffnete die Augen und sah ins Licht einer neugeborenen
Sonne.
    Vor mir lag eine Steppe unfassbaren Ausmaßes, auf deren
Fläche Mammuts, so groß wie Aral-Tanklaster, das spärliche Grün vom Boden
grasten.
    Eine Kreatur, die entfernt an einen Gecko – der wiederum
entfernt an meine Nachbarin – erinnerte, huschte mir über die Füße.
    Meine Fußnägel sahen aus wie etwas, was Black & Decker
hergestellt hatte, stellte ich fest, als ich an mir herunter sah.
    Außerdem war ich nackt.
    Das war allerdings nicht weiter tragisch, da ein dichter
Pelz meinen Körper bedeckte.
    Mein Gemächt wies erfreulich unzivilisierte Ausmaße auf.
    Hier bleib ich, war mein erster Gedanke, der sich allerdings
lediglich als unartikulierter Cro-Magnon-Rülpser in meinem Schädel breit
machte.
    Ich betastete meinen Kopf.
    Ich trug offenbar einen American-Football-Helm; allerdings
unter der Haut.
    Ich war ein Höhlenmensch.
    Ein tierhafter Schrei, der indiskutabel weit von »Fuck, wo
bin ich hier denn gelandet?« entfernt war, kam aus meiner Kehle.
    Ich trottete los.
    Die Zeit wurde irgendwie flexibel. Sie dehnte sich ins
vollkommen Formlose, was mich frappierend an die Leggins meiner Mutter
erinnerte, ohne dass es mich störte.
    Die Sonne ging in rasenden Intervallen auf und unter, so
dass ich mir vorkam wie in einem Draculafilm mit

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