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Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Titel: Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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Christopher Lee.
     
    Ich bekam Hunger.
    Das Gute an Traumerlebnissen wie diesen ist, dass man im
Prinzip weiß, was Sache ist.
    Ich war mir darüber im Klaren, dass ich eben Ich war.
    Das half mir allerdings weniger bei der Beschaffung eines
Snickers.
    Ich versuchte ein Mammut zu erlegen, aber vierzig Tonnen
schlecht gelauntes Frühelefantenfleisch brachten mich rasch dazu, diesen Plan
zu überdenken.
    Also steinigte ich ein lahmendes Eichhörnchen.
     
    Irgendwann sah ich eine Gestalt auf mich zu trotten.
    Sie ging wie ich aufrecht, wenigstens einigermaßen, und
steuerte auf mich zu.
    Der Höhlenmensch sah aus wie ein pelziger, demotivierter
Nussknacker, und er hielt etwas in seiner Hand.
    Das grünsilbrige Viereck glitzerte zwischen seinen
ungepflegten Jäger-und-Sammler–Fingern hervor.
    »Huuurssd«, begrüßte ich ihn.
    Er erwiderte den Gruß ebenso freundlich. An seinem Hals
baumelte Blätterwerk, auf dem mit Tierblut gemalte, alberne Dinosaurier
kasperten.
    Dann grunzte er mich lächelnd an. Es war ein längerer
Vortrag, der eine Menge abgestandenen Atems zu mir herüber wehen ließ. Trotzdem
machte er mich glücklich.
    Er hob nämlich seine Hand und gab mir das grünsilberne
Viereck.
    Die Übersetzung seiner Worte bohrte sich in den kalten
Hackbraten, der momentan mein prähistorisches Hirn darstellte.
    »Das sind ziemlich genau zweihundert Megahertz. Hundert
kriege ich nicht hin. Ich könnte sie beschaffen, aber dann wäre ich Urschlamm.
Schlecht zu transportieren ohne Hände, gelle?«
     
    Ich erwachte.
    Mein Kopf war wieder normal, wenn man vom
Grobschlingenmuster der Teppichfliesen auf meiner Wange absah.
    Über mir stand der Verkäufer, unbehaart und jovial. Er
lächelte.
    »Geht’s wieder?«
    Ich murmelte zustimmend, während ich spürte, dass ich ein
anderer Mensch geworden war.
     
    Ich kaufte einen Stephen-Hawking-Special-Edition-Rechner mit
atombetriebenem Modem, soviel MB-Ram, wie Palermo Hütchenspieler hat, und ein
Softwarepaket, mit dem die Unterjochung der freien Welt auf Excelbasis nur noch
Formsache ist.
    Dann gingen wir Arm in Arm in den Sonnenuntergang.
    Wir waren Freunde geworden.
    Gelegentlich leihe ich meinen Rechner dem russischen Staat,
damit dieser sein Bruttosozialprodukt ausrechnen kann.
    Trotzdem hab ich nie den Geschmack von Eichhörnchen
vergessen. 

High Tech
     
    Anspruch:              
*
    Metapherndichte:    **
    Lerneffekte:           
****
    Romantik:              
*
    Action:                   
***
    Sex:                        
*
     
    Sommer 98.
    Zu dieser Zeit arbeitete ich in einer Filiale für
Unterhaltungselektronik und stand der Telekommunikationsabteilung vor. Damals
war alles viel besser: Während ein Verkäufer dieses Genres heute beim Abschluss
eines Handyvertrages außer dem Mobiltelefon auch noch Flugreisen nach Kuba, ein
notariell beglaubigtes Testament zu Gunsten des Kunden und eine Spenderniere
überreichen muss, konnte man Ende der Neunziger 24-Monatsverträge im örtlichen
Sterbehospiz abschließen - und zwar ohne Handys, die einem beim Telefonieren
das eigene Ohr fotografieren.
    Meine Abteilung war nur mit guten Leuten bestückt:
    Schröder – ein Mann für die Technik, der Epileptiker war und
regelmäßig schwere Anfälle bekam, wenn er zu lange in einen unserer
Ausstellungsfernseher sah, aber mit Spucke und Nagelfeile alle gängigen
Handyfabrikate reparieren konnte.
    Bärtacki – ein unglaublicher Aggressor im Verkaufsgespräch,
der gefährlich aussehende Cowboystiefel trug und dessen Erfolge hauptsächlich
darauf zurück zu führen waren, dass er seine Augen wie Charles Bronson zu
brutalen Schlitzen verengen konnte.
    T-Mobile hatte uns außerdem eine Promoterin gestellt, deren
Hauptverdienst am Umsatz war, dass sie hautenge Leggings trug, weswegen wir sie
einsetzten als würden wir Köderfischen. Wir waren wie das Team aus »Die Wildgänse
kommen«, wobei ich definitiv Roger Moore war, denn manchmal bekam ich
wochenlang meine Augenbraue nicht mehr runter.
     
    E-Plus – noch Mitte der Neunziger als Mobilfunkanbieter etwa
so effizient, als würde man das Fenster aufreißen und seiner Oma im Nachbarort
eine Nachricht zubrüllen – kam langsam nach vorn; den Herren in der
Geschäftsleitung allerdings nicht vorn genug: Sie lobten einen bundesweiten
Preis für den tollkühnsten Teufelsverkäufer aus, der dann auf einer großen
Party in Köln bekannt gegeben werden

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