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Bran

Bran

Titel: Bran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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auf das Tier hinaufzukommen, das weder Sattel noch Zaumzeug hatte. Nur ein einfacher Zügel aus einer schlichten Lederkordel war an seinem Hals befestigt. Die Diener halfen ihm. Dann gaben sie dem geduldigen Rappen einen Klaps auf die Hinterbacke, und das Tier setzte sich in Trab, um seinem Gefährten zu folgen, der schon weit entfernt war.
    Im Übrigen waren es königliche Tiere, tiefschwarze Kirgoler aus dem edelsten Gestüt des Khans, mit seidigen Mähnen und Schweifen, würdig, von einem großen Herrscher geritten zu werden.
    Kundali war eine zuckende Markierung am Horizont. Manchmal wehte der Passatwind, der mit der höher steigenden Sonne an Kraft gewann, einzelne Fetzen ihrer Rufe und Lieder herbei. Sie kreischte vor Vergnügen. Und sie sang die alten heiligen Gesänge, die die Frauen ihres Volkes sie in ihrer Kindheit gelehrt hatten.
    Straner hatte Mühe, sich auf dem Pferd zu halten. Er krallte sich in die Mähne und versuchte, das Gewicht auf die Schenkel, die bald vor Erschöpfung zitterten, zu verteilen, ohne dass die muskulösen Stöße des Tieres ihm das Geschlecht zermalmten. Als sein Rappe merkte, dass er den Anschluss zu verlieren drohte, war er von selbst in Galopp gefallen. Mit beeindruckender Kraft und scheinbar unermüdlich jagte das herrliche Tier, das sein Reiter verfluchte, in die offene Wüste hinaus.
    Die Sonne wurde sengend. Dann mörderisch. Dann unerträglich. Straner hatte das Gefühl, dass sich ihm das Fleisch von den Knochen schäle. Er wurde bei lebendigem Leib gesotten. Die Luft flimmerte. Er ritt durch ungegenständliche Holografien, die ihm, je weiter der Tag fortschritt, umso unmissverständlicher Bilder von Oasen und Schattenhainen vorgaukelten. Sie kamen an ausgedehnten Dickichten des Wüstenbambus vorbei, die aussahen, als hätte eine Armee ihre Speere in den Sand gerammt und wäre davongegangen.
    Die Tiere schienen den Weg durch diese tödlichen Labyrinthe zu kennen.
    Felsige Bergmassive wuchsen neben ihnen aus dem glühenden Steinboden und sackten wieder zusammen wie Drachen, die von unsichtbaren Rittern in die Knie gezwungen wurden. Sandlerchen flohen vor dem Donner ihrer Hufe, winzige Vögel, die den unerbittlichen Tag im Schutz von Kieseln und Felsbrocken verbrachten und die nun aufgeschreckt wurden und senkrecht in die Höhe stiegen. Dabei stießen sie seltsame Rufe aus, die an das elektronische Summen und Piepen integrierter Tattoos erinnerten.
    Straner geriet in Trance. Halb ohnmächtig vor Schmerzen und Erschöpfung, verwandte er alle Kraft, die ihm geblieben war, darauf, sich an das saugend schwarze Fell seines Tieres zu klammern. Der Rhythmus des lebendigen Wesens unter ihm, das ihn trug und zuschanden machte, war seine ganze Welt. Er musste die Kräfte seiner Implantate bemühen, um nicht bewusstlos zu werden und vom Pferd zu stürzen.
    Sie durchquerten riesige versengte Ebenen, Salzpfannen, in denen der Boden ebenso gleißend war wie der Himmel, der unbarmherzig darauf herniederbrannte. Rote Felsformationen narrten seine zerstörten Sinne mit einem Karneval absurder und bedrohlicher Gestalten. Dann wieder gerieten sie in weite Sandmeere, in denen die Pferde bis über die Fesseln einbrachen und sie sie an den dürftigen Zügeln führen mussten, selbst bis zu den Waden im glühenden Sand versinkend.
    Irgendwann scheute sein Pferd und warf ihn ab. Eine Klapperschlange hatte mitten in der Wüste den Hals gebläht und mit dem knöchernen Schwanz gewarnt. Straners Rappe stieg hoch und warf sich auf den Hinterläufen herum, in einer Panik, die lächerlich gewesen wäre, wenn sie nicht so schmerzhaft wäre. Er stürzt rücklings in das scharfkantige, hitzeglühende Gestein, als hätte ihn ein Ringer mit einem Überwurf auf ein Nagelbrett geschleudert.
    Kundali kam lachend herbeigeritten. Sie stieg von ihrem Pferd. Dann sah sie auf ihn herab, der wie ein Käfer auf dem Rücken lag und unfähig war, aus eigenen Kräften auf die Beine zu kommen. Sie stand mit gespreizten Schenkeln über ihm. Dann ließ sie sich auf ihn herab.
      
    Bei Sonnenuntergang erreichten sie das Lager. Es war eine Oase, mitten in der Wüste, ein Tagesritt von Zhid City entfernt, dessen höchste Türme sich als schwarze Dornen über den verbrannten südlichen Horizont erhoben. Beduinen hatten hier ihr Camp, Nomaden in blauen Umhängen. Ihre raue Sprache und die wulstigen Schädel wiesen sie als Kirgoler aus. Sie hatten die beiden Reiter längst bemerkt und schickten ihnen Posten entgegen, die mit

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