Bran
Infantin?« Straner begriff mit einem Mal, warum Cejla getan hatte, was sie getan hatte.
Ein warmes Gefühl stieg in ihm auf.
»Was ist das mit dir und ihr?«
»Ich werde sie heiraten.« Straner sah sie vergnügt an.
Kundali wurde blass. Dann lachte sie, ebenso laut und aufgesetzt, wie Cejla gelacht hatte, als er sie auf die Huren ansprach. Genauso abrupt, wie ihre Heiterkeit ausgebrochen war, kam sie wieder zum Erliegen. So gab es auf dem Höhepunkt des Monsuns bisweilen Regenschauer, die aus dem Nichts niedergehen und ebenso unvermittelt wieder verebben.
Kundali wurde ruhig wie ein Teich am frühen Morgen, wenn sein Spiegel nur die rätselhafte Leere des farblosen Himmels zurückwarf.
Auf geheimen Gängen, durch Türen, die beziehungsreich schwiegen, und durch massive Wände, die sich summend öffneten wie Spaliere lachender Mädchen, die langsam vor ihnen auseinanderglitten, ein Schmunzeln um die Fingerspitzen, geleitete sie ihn in ihr Gemach. In eines ihrer Gemächer. Denn er war sich sicher, dass es unendlich viele dieser Art gab.
Dort brachte sie ihm das Geschenk ihrer Unschuld dar.
Als der Tag jenseits der hohen Fenster sich endlich der Nacht ergab, wie Straner sich wieder und wieder Kundalis unersättlicher Neugierde ergeben hatte, ruhten sie erschöpft nebeneinander.
Sie schien ihm plötzlich weiblicher. Sie war im Durchgang durch das Mysterium nicht nur erwachsen geworden, vom Mädchen zur Frau gereift, sie schien um Jahre älter zu sein. Als hätte sie in dem einen Akt alle möglichen Akte absolviert, alle einhundertacht Varianten des Beischlafs, von denen das heilige Buch der zhidaischen Liebeskunst raunend kündete.
Dann fiel ihm etwas auf. »Was wolltest du dort, im Raum, wo nichts ist?«
Sie tat, als verstehe sie nicht.
»Als wir das erste Mal aufeinandertrafen. Mein Schiff bockte wie ein Pferd, das mitten in der Wüste vor einer Klapperschlange erschrickt.«
Sie sah ihn an.
»Wo bist du damals hergekommen?«
War es wirklich der geeignete Zeitpunkt, sie danach zu fragen? Doch wann hätte er es sonst tun sollen? Hatte er sie nur verführt, um diesen Affront aus der Welt zu schaffen, dass er die Leere des Kosmos zu seinem Besitz erklärt hatte, über den er frei und uneingeschränkt verfügen konnte? Aber der Kosmos war nicht leer, und er gehörte niemandem.
»Du bist dort gewesen?« Kundali richtete sich auf.
»Ja«, sagte er. »Und du?«
Er hatte sie nicht verführt. Sie hatte ihn erobert, wie eine Häuptlingstochter, die sich in der Wüste, bei den Nomaden, einen Sklaven nimmt, um ihn zu ihrem Lustknaben zu machen.
»Ich auch.«
»Was wolltest du dort?«
Ein Schmerz lief über sie hin. Er schmerzte ihn doppelt, denn er trübte ihre Schönheit, die sich gerade erst voll entfaltet hatte wie ein Lotus nach dem ersten Regen. Jetzt schwoll der Regen derart an, dass er die Blüte zu knicken drohte. Er begriff die Faszination dieser Kultur für die Vergänglichkeit. Das Eigentliche existierte immer nur einen Augenblick. Bis man es wahrnahm, war es vorbei.
»Du kennst die Gerüchte, die im Palast über mich umlaufen.«
Er stellte sich unwissend.
Es war sinnlos.
»Dass ich die Tochter eines Dahergelaufenen sei, die der Großfürst nur an Kindes statt angenommen habe, aus einer Laune der Mildtätigkeit heraus. Über die wahren Gründe zerreißt sich das Volk seit meiner Geburt das Maul.«
»Und?«
»Ich wollte es herausfinden. Ich belauschte ein Gespräch im Thronsaal. Sie hatten diesen Tunnel durch die Zeit geschaffen, um in die Vergangenheit zu reisen und den Anführer eurer Delegation zu töten. Diesen Richards. Er stand der Aussöhnung unserer Kulturen im Wege.«
»Richards hat sich immer für die Aussöhnung unserer Völker eingesetzt. Hast du dem Vortrag des Professors denn nicht zugehört?«
»Du hast nicht zugehört. Sie hatten interveniert.«
»In der Vergangenheit?« Straners Herzschlag stockte wie das Pochen des Spechts, wenn er ein Insekt belauscht, das tief in den Gängen des Holzes sein Wesen treibt.
»Sie rückten die Geschichte zurecht. So, wie sie es brauchen konnten.«
»Aber Richards lebt!«
»Sie haben ihn nicht getötet. Sie ließen ihn ausweisen. Hast du Professor Moqsra nicht zugehört?« Sie setzte sich auf. Ihre Brüste bebten im harten Rhythmus ihres Herzens. »Auch du bist dort gewesen?« Die Erkenntnis hatte sie erst jetzt erreicht, als hätte sie wie ein Sklave vor dem Audienzzimmer seines Herrn antichambrieren müssen.
»Es ist ein Bran«,
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