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Bran

Bran

Titel: Bran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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Und kurz einmal auf Tinerfaro. Das ist eine rätselhafte Welt!«
    Sie schwiegen.
    »Und auf Rangkor?«, fragte Straner dann.
    »Diese Welt ist für uns tabu.« Ihr Atem kräuselte sich in der kälter werdenden Nacht wie der Dampf der Wasserpfeife, die sie gemeinsam geraucht hatten. »Ich würde zu gerne ihre Wälder sehen!«
    Die Finsternis verbarg den Schmerz in Straners Lächeln.
    Der Boden unter ihren bloßen Sohlen wurde kühl. Die Planen der Zelte bauschten sich und zerrten an ihren Verankerungen wie große Tiere, die sich loszureißen versuchten. Das Firmament brannte grimmig auf, in einer zornigen Intensität, wie wenn man Kräuter und getrocknete Blütenblätter in die Glut eines beinahe erloschenen Feuers warf.
    Der Schakal heulte wieder. Ein Flattern und Rauschen belebte die Dunkelheit. Die gefährlichen Jäger dieser Welt, die Dorneule, der Habicht, der durstige Coyote gingen auf Beutezug.
    Kundali sah ihn an. »Wir sind jetzt Mann und Frau.«
    Es wurde kalt. Sie gingen hinein.
      
    Sie blieben eine Woche bei den Nomaden, im Schutz des Beduinenlagers, das in der Wüste ausharrte wie eine Welt in den lebensfeindlichen Weiten des Kosmos. Zwei Schritte jenseits der Begrenzung, die aus den Stangen des Wüstenbambus und anderem Gestrüpp gefertigt war, begann ein Reich des Todes, in dem sie ohne fremde Hilfe keinen Tag überstanden hätten.
    Das Lager war eine Insel in einem Ozean aus Sand, ein winziger Felsen in einem Meer treibender Gluthitze und verheerender Dürre.
    Eine winzige menschliche Wohnung, verloren in einer See der Unbarmherzigkeit.
    Tagsüber schliefen sie. Die Zelte aus dreifachen serafidischen Planen hielten den mörderischen Glast ab, der die Augen blendete und die Lungen betäubte, wenn man nur den Kopf aus dem Eingang streckte. Innen war es angenehm. Ein kühles Halbdunkel, in dem kaum zu sagen war, wo das eine Kissen anfing und das andere endete. Ihre Decken schoben sich in- und übereinander wie ihre Körper, die aufgehört hatten, zwei getrennte Einheiten zu sein. Manchmal schliefen sie am Morgen in der Umarmung ein und blieben so, verstrickt und verknäuelt, ineinandergeschlungen wie ein seltsames Fabelwesen mit vier Armen, vier Beinen und zwei ruhenden Köpfen, dessen Brüste von einem Atem bewegt wurden.
    Dienerinnen sahen ab und zu nach ihnen, erneuerten das Wasser, das in Krügen bereitstand und wuschen den Schlafenden die erschöpften Gesichter mit kühler Kaktusessenz.
    Draußen loderte die Hitze. Der Sand stieg in Schlieren zum Himmel, dessen eiserne Miene sich trübte. Kein Leben rührte sich. Selbst die Skorpione, deren schwarz glänzende Glieder aus scharfkantigem Obsidian gefertigt schienen, suchten Schutz im spärlichen Schatten von Felsen oder im zerglühten Wurzelwerk der fasrigen Ruinen des Lederkaktus. Ab und zu schrie ein Gazellenadler, hoch in den sengenden Lüften, die seinen weit ausgespreiteten Schwingen nichts anhaben konnten.
    Wenn die Sonne den Horizont berührte, wurden Mahlzeiten aufgetragen, kaum weniger festlich und fürstlich als am ersten Tag. Dann wurden sie erfrischt, gesalbt, geschmückt und für den nächsten Abend vorbereitet. Und sowie der schwarze Block der Nacht über das Land gestürzt war, schlossen die Dienerinnen das Zelt, und sie gaben sich erneut der Liebe hin, erkundeten weitere Kapitel im heiligen Buch der 108 Formen körperlicher Lust und konnten nicht voneinander lassen, bis abermals der Morgen mit seiner fleischfarbenen Zunge an den Zeltwänden leckte.
      
    Manchmal unternahmen sie, in den beiden einzig erträglichen Stunden des Tages, vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang, einen kleinen Ausflug ins Lager oder einige Schritte vor seine bewachten Tore, wo sie einen niedrigen Sandhügel erklommen. In ihre weiten Umhänge gehüllt, die wie streitende Kinder an ihren Beinen zerrten, sahen sie nach Süden.
    Eine nilpferdfarbene Wolkenbank markierte die Lage der Stadt, deren höchste Türme auf dem Horizont staken wie spitze Bambusschäfte in einer Verwehung.
    »Der Monsun ist da.« Kundali sprach es aus wie eine Tatsache, die unumgänglich und feierlich zugleich war. Als hätte sie gesagt: »Heute ist der Geburtstag des Khans.«
    »Höchste Zeit.« Straner nickte. »Leider werden wir hier wenig davon spüren.«
    Kundali hob die Schultern, dass der Saum des Mantels ihre Knöchel freigab. »Die Stadt bedarf der Reinigung. Die Wüste ist rein.«
    »Die Wüste könnte auch ein wenig Wasser vertragen. Hier hat es seit Jahrzehnten nicht

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