Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bran

Bran

Titel: Bran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
Vom Netzwerk:
sagte er. »Eine Membran in der Zeit. Ein dünnes Häutchen, wie das, dessen Blut jetzt unser Laken netzt. Es trennt das Vorher vom Nachher.«
    »Du weichst mir aus.«
    »Es hatte mit dieser Delegation zu tun, wie du selber sagst. Das war mein Auftrag.«
    »Du hast in die Vergangenheit eingegriffen.« Sie zog das Leintuch über sich, als sei ihre Blöße ihr plötzlich bewusst geworden, jetzt, da er sie gepflückt hatte.
    »So geht das nicht. Du kannst nicht in die Vergangenheit reisen, einen Krug Wasser umstoßen und dann in die Gegenwart zurückkehren, um zu sehen, ob es verdunstet ist oder ob es aufgewischt wurde.«
    »Und deine Leute?«
    »Für sie bin ich nicht verantwortlich.« Ihre Laune heiterte sich wieder auf. »Im Übrigen weiß ich nicht, ob sie nicht geflunkert haben. In der Vergangenheit bin ich keinem von ihnen begegnet. Und ich traue ihnen auch nicht zu, so etwas wie das Bran zu erschaffen.«
    Straner seufzte. Man wusste hier nie, wie man dran war. Davon abgesehen, kannte er die wahre Geschichte.
    »Was ist mit dir?«
    »Ich habe nur geschaut. Mir ging es um etwas anderes.«
    »Nun?«
    »Ich wollte sehen, wer mein Vater war.«
    »Und?«
    »Ich habe ihn gefunden.«
    »Kundali, du treibst mich in den Wahnsinn!«
    »Tue ich das, Fremder?« Ihre Fingernägel, glitzernd von erotischen Tattoos, die alle einhundertacht möglichen Positionen der Liebe darstellten, ritzten seine Brustwarze.
    »Was hast du herausgefunden.«
    »Ich bin zufrieden.« Kundali gab sich einen Ruck. »Mein leiblicher Vater ist der Leiter jener Delegation, der rangkorianische Gesandte Richards.«
    Straner fiel zurück aufs Bett wie ein Sack Korn, dem man einen kräftigen Tritt verpasst hatte.
    Kundali stieß die Luft durch die Nase, die sich dabei blähte wie die Nüstern eines kostbaren Pferdes, eines Pferdes, auf dem nur der Herrscher eines großen Landes reiten durfte.
    »Ich bin das Ergebnis eines Seitensprungs dieses Gesandten während seines Aufenthalts auf Zhid.« Sie zog den Mund breit und blickte ihn an wie ein kleines Mädchen, das einen Frosch zertreten hatte. »Als Richards unsere Welt verlassen musste – die genauen Gründe dafür werden wir vermutlich nie erfahren –, gab er das Kind Darbor in Obhut. Der neue Khan zeigte sich dem Mann erkenntlich, der ihm zur Macht verholfen hatte. Denn Richards war einer der Drahtzieher der Revolution gewesen. Ich wuchs in der Wüste auf, bei den Nomaden, die von Kirgol stammen. Darbor war einer ihrer Anführer. Später nahm er mich an Kindes statt an, da er selbst ohne leibliche Nachkommen geblieben war, und nahm mich zu sich in die Stadt.«
    »Und wer war deine Mutter?« Straner war aufgefallen, dass sie diese noch heiklere Klippe bislang umschifft hatte.
    »Eine Kirgolerin.« Kundali hob die Schultern, dass ihr Busen sich schwellend hob. Ihre Augen füllten sich mit Stolz. »Eine der mutigen Frauen aus dem Geschlecht der Revolutionäre!«
    Er ließ sie in dem Glauben.
    Die ganze Geschichte stimmte sowieso vorne und hinten nicht.
      
    Im Morgengrauen weckte sie ihn aus dem tiefen Schlaf, den nur ein Mann schlafen kann, der sich am Ziel aller seiner Wünsche wähnt.
    Sie warfen leichte Mäntel aus feinster serafidischer Seide über und tauchten wieder in das Labyrinth geheimer Gänge ein. Auf bloßen Sohlen, von den Umhängen aus intelligentem Tuch in wohlige Kokons gehüllt, liefen sie durch die Katakomben des Palastes. Durch einen Hintereingang traten sie in die ausgedehnten Gärten hinaus. Auf einem der Kieswege wartete ein zweisitziger Scooter. Sie stiegen ein. Kundali übernahm das Steuer.
    Dann fuhren sie die ganze nördliche Achsenstraße hinunter, das Gegenstück zur großen Magistrale im Süden, viele metrische Meilen, an Dutzenden von Vierteln und Stadtteilen entlang, die dabei immer anbrüchiger wurden, als wohne man ihrem unaufhaltsamen Verfall in einem gnadenloser Zeitraffer bei. Endlich endete die Straße in der offenen Wüste wie ein Strom, der sich ins Meer ergießt. Sie stiegen aus.
    Zwei dürre Palmen markierten den Treffpunkt, wo Diener zwei ungesattelte Pferde bereithielten. Sie legten ihre Mäntel ab, die von den Dienern entgegengenommen und in kostbaren Truhen verwahrt wurden.
    Die Sonne ging auf. Wie ein feindliches Heer, das drohend über den Horizont marschiert kam.
    Kundali schwang sich auf eines der Pferde, hieb ihm die nackten Fersen in die Weichen und preschte mit einem Jubelruf davon, der an den Schrei des Habichts erinnerte. Straner tat sich schwer,

Weitere Kostenlose Bücher