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Bran

Bran

Titel: Bran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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einer Weile hielt sie in ihren Bewegungen inne. Sie blieb auf seinem Staunen sitzen, das in ihr brannte wie eine Fackel aus unauslöschlichem Werg.
    »Kundali!« Zum ersten Mal spürte er, dass er am Ende seiner Kräfte war. Sie würde ihn in diesem Liebeskampf besiegen. Ihn niederringen, ihn zerschmelzen wie einen Brocken Wachs.
    Sie stieg von seinen Lenden und beugte sich mit geschürzten Lippen über ihn, der nach ihren Küssen schnappte, sie aber nicht zu fassen bekam.
    »Manche sagen auch, das sei die eigentliche Yoni!« Sie machte einen Schmollmund, senkte einen Blick in ihn, der Drohung und Verheißung zugleich war, und setzte sich wieder auf. »Und dies das eigentliche Lingam.« Sie berührte mit dem Finger seine Zungenspitze. »Es gibt sehr viele Varianten dieser Geschichte.«
    »Ich fürchte, wir werden sie alle durchprobieren.«
    »Ich bin eine Infantin, eine Thronerbin. Der Ritus meines Volkes sieht vor, dass ich mich meinem Bräutigam in allen einhundertacht Formen der körperlichen Liebe hingebe, von der das zhidaische Buch der Lust zu künden weiß. Erst dann ist die Ehe ganz vollzogen!«
    Straner produzierte ein Geräusch, dessen Qual nur zum kleineren Teil gespielt war.
    »Aber ich möchte, dass du eines weißt: Alle diese Dinge sind heilig und rein.«
    An diesem Tag schliefen sie nur wenig. Ihre Gier nahm immer mehr zu, wie ein Feuer, dem man ständig neue Nahrung bietet. Sollte es sie verschmähen? Die Phase der Befriedigung wurde immer kürzer. Dann erzählten sie einander alte Legenden oder gaben sich Rätsel auf. Jenseits der Planen loderte der Tag oder gleißte die Nacht. Es machte keinen Unterschied mehr. Sie arbeiteten das heilige Buch der Liebe durch, Kapitel für Kapitel. Kundali war ausdauernd und fordernd. Unersättlich. Die Spiele waren endlos, wie kirgolische Geschichten, süß wie die Gesänge der Kindheit und ungestüm wie die Aufbrüche und Abenteuer der Jugend. Ihr Abschluss mündet stets in einen neuen Anfang, und da der Lärm des Windes den Schlaf unmöglich machte, schlangen sich die Akte wie kalligrafische Arabesken ineinander. Wer zählt die Höhepunkte, wenn die Geliebte dabei jahrtausendealte Weisheiten preisgibt?
    Einmal erwachte er aus dem erschöpften Dämmer und ordnete seine Gliedmaßen, wie man am Morgen nach einem Gelage Gläser und Flaschen wegräumt. Er lag schwer in den farbigen Gebirgen der Kissen, die aphrodisisch nach Körperwärme dufteten. Seine Seele suchte Kundali.
    Sie saß aufrecht an der Stirn des Lagers und spielte mit einem Gegenstand, der blaues Licht über ihre Brüste kleckerte, ein Schmuckstück, ein einzelner Ohrring aus Gold und Lapislazuli. Straner befürchtete, dass er echt war. Massives Metall und schwerer Stein. So ganz anders als die holografischen Applikationen, die an den Nägeln ihrer Finger und Zehen flimmerten. Er wollte sie darauf ansprechen, aber als sie sah, dass er erwacht war, ließ sie das Ergebnis kirgolischen Kunstfleißes in der Tiefe des Bettes verschwinden.
    »Du hast geschnarcht.« Ihre Augen wussten nichts von dem zärtlichen Scherz ihrer Worte.
    Straner krabbelte zu ihr wie ein Insekt, das auf ungewohntes Terrain geraten war. Dann ruhte er auf ihrem Bauch. Die Halbmonde ihrer Brüste schwebten über ihm wie Weltkörper im schwerelosen Tanz der Planeten. Ihr Schoß roch süß, aber ihr Atem war sauer. Ihre Finger streichelten sein Haar, das vom Schweiß stachlig war.
    »Es gab einst einen Stamm der Serafidin, der der vornehmste und mächtigste im ganzen Cluster war.«
    »Die Serafidin stammen aus dem Cluster?«
    »Du sollst mich nicht unterbrechen.«
    Straner schloss die Augen. Er wusste nicht mehr, ob er es gewusst hatte, es ihm aber entfallen war, oder ob er es nicht gewusst hatte.
    »Der Fürst des Stammes hatte zwei Töchter, aber keinen Sohn. Er hatte wohl die Riten nicht erfüllt, dass die Götter ihm diesen kleinen Streich spielten. In seiner Ratlosigkeit bereiste er die Welten des Clusters. Nach Jahren des Suchens fand er im Sohn des Fürsten der Kirgoler einen jungen Mann, den er sich zum Schwiegersohn wünschte. Er hielt bei dem fremden König förmlich um die Hand des Burschen an, wie sonst der Bräutigam um eine Braut freit. Irgendetwas war in der ganzen Geschichte von Anfang an verkehrt. Der König von Kirgol war einverstanden. Der Junge wurde nicht gefragt. Der Fürst der Serafidin gab ihm seine beiden Töchter zur Frau. Die Hochzeit war die festlichste, die seit Generationen im ganzen Cluster begangen worden

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