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Bran

Bran

Titel: Bran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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in einem billigen Bordell, nach Wochen unausgesetzten Schauerns, Schüttens und Tobens, hatte eine Abkühlung eingesetzt. Die Luft war rein und atembar geworden. In den Nächten sah man Sterne am Himmel, der glänzte, als habe ein Zimmermädchen feucht aufgewischt. Und tagsüber war es keine körperliche Qual mehr, sich ins Freie zu begeben.
    Die Wolken waren verschwunden. Die Regenzeit währte sechs Wochen. Ein Mondwechsel auf dieser perfiden Welt. Aber sie hatte der Stadt eine Phase der Erträglichkeit beschert, des Behagens sogar. Die Menschen gingen mit beschwingteren, leichteren, freien Schritten. Die Mienen hatten sich geklärt wie nach dem tiefen und erholsamen Schlaf einer ruhigen Nacht. Die Stimmen waren heller, die Wortwechsel reger geworden. Die drei Dutzend Dialekte, die in Zhid gesprochen wurden, klingelten und klirrten durcheinander wie das Gezwitscher einer Voliere, in der es frisches Futter gegeben hatte. Die Rabatten rund um die Plaza standen in voller Blüte, und überall in der Stadt leuchteten die Parks, die Palmenalleen, die Gärten in nie gesehenen Farben. Auf den Märkten gab es saftstrotzende Früchte und Gemüse, das beim Hineinbeißen krachte. Nachts badeten die Jugendlichen in den Brunnen, die sprudelten, als ob sie nie wieder versiegen wollten.
    Straner wusste, dass dies nur eine kurze Periode des Atemschöpfens war.
    Ein weiterer Mond, und die Herbstwinde, die gefürchteten Harmattane, würden über die Stadt herfallen wie wilde Räuberbanden auf grunzenden Kamelen. Sand würde schon bald wieder die sommerliche Pracht bedecken, und dann würde es Tag für Tag heißer werden, Monat für Monat immer noch unerträglicher bis zum nächsten Monsun, der jetzt noch in unerreichbar scheinender Ferne lag, so tröstlich wie die Fata Morgana einer Quelle für einen Verdurstenden weit draußen in der Wüste.
    Eine Bewegung holte ihn in die Gegenwart zurück, ein Huschen und Wischen, ein schwarzer Schatten, der sich durch die Schatten der plumpen Säulen wand wie eine gelbe Sandotter durch gelben Sand.
    »Du redest nicht mit jedem.«
    Er stieß sich von seinem Platz ab und ging ein paar Schritte auf die Rasenfläche hinaus, bis er die niedrige, klobig wirkende Ostseite des Mausoleums Iban Mogul Khans des Großen als Ganzes überblicken konnte.
    Die Ratte hockte auf einem der Löwen, die die Front der heroischen Reliefs bildeten. Vorwitzig thronte sie vor dem mannshohen, weit geöffneten Rachen des Untiers aus grob behauenem Stein, der aus den Obsidianbrüchen der inneren Erg stammte, der tödlichsten aller tödlichen Wüsten tief im Süden des großen Kontinents. Dorthin verirrten sich nicht einmal die hartgesottensten Nomaden.
    »Was willst du?« Straner schwang sich auf den Sockel der Figurenreihe und ließ die Beine baumeln.
    Das mit Implantaten vollgestopfte Vieh wieselte heran und baute sich vor ihm zu einer Skulptur des Vorwurfs auf.
    »Warst du nicht der Kerl, der mich nach diesem Richards gefragt hat?«
    Straner musste lachen.
    »Richards lebt!« Das winzige Wesen war aufrichtig empört. »Er lebt und ist einer der reichsten Männer eurer Welt!«
    »Ich weiß.«
    »Warum lässt du mich ihn dann suchen?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Bist du ein bisschen dumm?«
    »Kann sein.«
    Straner schmunzelte. Das Wortgefecht erheiterte ihn ungemein. Er kramte in den tiefen, noch vom Vormonsun staubigen Taschen seines Anzugs und fand ein paar Nüsse, die er einmal einem Straßenhändler in Thamal abgekauft hatte. Er warf sie der Ratte hin.
    »Spinnst du?« Sie kegelte die Nüsse in den Rinnstein, wo sie, dem Gefälle der Plaza zur großen Magistral folgend, langsam weiterrollten. »Ich sagte dir doch, ich nähre mich von Wissen. Daten. Information.« Sie machte einen Satz und landete in Straners Schoß. »Er-kennt-nis!«
    »Da kann ich dir nicht helfen.« Der Agent lachte. »In diesen Dingen bin ich unerfahren.«
    Die Ratte seufzte komisch.
    »Warum lässt du mich diesen Senator hier suchen, wenn er in deiner Heimatwelt, diesem sauberen Rangkor, lebt und sich’s gut gehen lässt?«
    »Ich weiß nicht, Scout. Ich weiß es wirklich nicht.«
    »Hm.« Das Zwischending von Tier und Bot kratzte sich mit der Hinterpfote am Ohr. »Dann gehe ich davon aus, dass unser Deal geplatzt ist.«
    »Hatten wir einen Deal?«
    »Ich sehe meinen Auftrag als erledigt an, der so sinnvoll war wie die Eiterbeule am Geschwür eines Leprösen.«
    Die Ratte sprang wieder auf den Rasen und schnürte in erregten Schlangenbewegungen

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