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Bran

Bran

Titel: Bran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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Handgelenk zurate ziehen. Dann wusste er, dass es spät am Vormittag war. Draußen würde die Hitze mörderisch sein.
    Jemand hatte versucht, sein Tattoo auszulesen, es aber natürlich nicht geschafft. Während er sich anzog, stellte er fest, dass Kiú mit der Gründlichkeit, die zu ihrem Gewerbe gehörte, seine Sachen durchwühlt hatte. Sie hatte die Pilotenplakette aus ihrem Futteral gefingert – ohne sich die Mühe zu geben, sie wieder ordentlich hineinzustecken –, und bei seiner Barschaft fehlten zwei oder drei Scheine. Ein lächerlicher Betrag, was wiederum für ihren Grips sprach. Jedenfalls war das Ganze nicht wert, sie deswegen zur Rede zu stellen.
    Sie war verschwunden. Straner leerte eine der beiden Mineralwasserflaschen und urinierte dann hinein. Auf dem Gang entsorgte er sie in einem der Müllschächte, aus dem ein bestialischer Gestank nach oben zog. Mit der zweiten Flasche wusch er sich Gesicht und Oberkörper und spülte sich den Mund aus. Allmählich wich der Druck in seinem Schädel einem angenehmen Gefühl von Unternehmungslust und Appetit. Er benutzte den Elevatorschacht, obwohl Kiú ihm erzählt hatte, dass immer wieder Leute darin zu Tode kamen, wenn die freischwebenden Gondeln bei Stromausfall in die Tiefe stürzten. Aber er hatte keine Lust, eine Stunde damit zu verbringen, sich im Treppenhaus einen halben Kilometer nach unten zu arbeiten.
    Unten trat er durch die defekte Drehtür auf die Straße hinaus, die unter der Glut der Sonne bebte wie ein Amboss unter schweren Hammerschlägen. Er orientierte sich und nordete seine Implantate ein. Dann nahm er seine Nachforschungen auf. Er wusste auch schon, wo er damit beginnen würde.
    Der charakteristische Schwall warmer, nach menschlichem Schweiß und schlecht gewarteter Kybernetik stinkender Luft führte ihn zum nächsten Zustieg der Untergrundbahn. Er erstand ein Touristen-Ticket für vier Tage und ließ sich den Netzplan überspielen, wozu er kurz das Holo-Tattoo am Handgelenk aktivierte. Der Verkäufer, ein einäugiger Paneshier oder Trabeener, pfiff durch das, was von seinen Zähnen übrig war, als er es sah. Offenbar war Straners Tattoo ein wenig zu neu oder zu gut in Schuss. Er nahm sich vor, noch mehr als bisher aufzupassen.
    Der Zufall hatte ihn an einen großen Knoten geführt. Es ging Dutzende Stockwerke hinab. Die Luft wurde immer noch muffiger. Eine Klimatisierung gab es nicht, oder sie war seit Langem defekt. Der Umstand, dass auch die Elevatoren ausgefallen waren, deutete auf Letzteres hin. Immerhin waren die Gondeln arretiert, und Hinweisschilder in der Amtssprache warnten vor dem Betreten der Schächte.
    Straner ließ sich treiben. Auf den Bahnsteigen fiel ihm auf, dass die Züge ausnahmslos auf Rangkor gefertigt waren. Aber sie waren Jahrzehnte alt und schlecht oder gar nicht gewartet. Jedes Mal, wenn einer der auf Magnetkissen ruhenden Kolosse anruckte, murmelten die Einheimischen Gebete vor sich hin. Viele falteten beim Eintreten die Hände zu traditionellen Mudras, oder sie bewarfen die Züge bei der Einfahrt mit rotem Reis, besprengten sie mit wohlriechenden Ölen, brannten aus kleinen Vorrichtungen Miniaturrauchopfer ab.
    Die Züge waren mit Gebetsfahnen und -schleifen behängt, ihre aerodynamischen Schnauzen troffen bei jeder Einfahrt von den süßlichen Opfergaben, mit denen sie überhäuft waren. Straner bemerkte alte Frauen, die auf den Bahnsteigen am Boden saßen und Altäre mit Räucherstäben oder Gestelle mit rituellen Gongs und Glöckchen vor sich aufgebaut hatten. Gegen eine geringe Gebühr schlugen sie die Kultinstrumente an oder entfachten ein Rauchopfer. Andere verkauften Packen von Votivzetteln, die man einem Zug entgegenschleudern konnte, sodass die Einfahrt einer neuen Bahn der Enthüllung eines Weihbildes gleichkam.
    Von diesen Bräuchen abgesehen, ging alles mit der Hektik und Zielgerichtetheit vonstatten, die man aus anderen Metropolen der Galaxis kannte. Die Menschen stürmten durcheinander, rannten und rempelten sich um, brüllten sich den Weg frei, nahmen ansonsten aber nicht Notiz voneinander.
    Straner fiel auf, dass er jedes Mal die Blicke auf sich zog, wenn er sein Tattoo aktivierte. Es war ein auf Rangkor handelsübliches Modell, keinesfalls das allerneueste, und die diversen Extras, die er seinem Auftrag zuliebe aufgenommen hatte, sah man ihm nicht an. Dennoch erregte er Aufsehen. Er musste eine andere Möglichkeit finden, sich in diesem Moloch von einer Stadt zu orientieren.
    Er sprach einen

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