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Bran

Bran

Titel: Bran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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atmen wagte. Aber war es nicht genau das, was er gewollt hatte?
      
    »Bist du nun zufrieden?«
    Er hörte ihre Stimme über das In-Ear – der Straßenlärm machte es unmöglich, sich normal zu unterhalten. Eigentlich hatte er gar keine Lust zu reden. Aber sie war ihm gefolgt und hing seitdem wie eine Klette an ihm. Auf dem Zimmer hatte sie in ewig korrekter Haltung ihren Platz eingenommen, und als er auf den kleinen Balkon hinausgegangen war, um über den brodelnden Nachmittag der großen Plaza hinwegzusehen und seinen Gedanken nachzuhängen, hatte sie sich der integrierten Kommunikation ihrer Implantate bedient.
    Straner zuckte die Achseln. War es das, was er gewollt hatte?
    »Du wirst mit ihr zusammen sein. Und du kannst in unserer Geschichte herumschnüffeln.«
    Auf dem niedrigen Geländer lehnend, auf dem er schon einmal beinahe das Gleichgewicht verloren hatte, ließ er die Blicke über den Vorplatz schweifen, der von der Magistrale in einem Halbkreis geschnitten wurde. Scooter und Gleiter drängten sich dort in acht oder neun Spuren. Niemand hielt sich an Vorfahrtsregeln. Ein Ameisenhaufen in den großen Kiefernwäldern auf Rangkor würde ein Bild der Ordnung und der Disziplin abgeben, verglichen mit dem Feierabendverkehr im Zentrum Zhid Citys. Aber gerade das machte den Anblick ja so spannend. Irgendwie funktionierte es. Unfälle schien es nicht zu geben.
    »Ich überlege immer noch, ob du es wirklich von Anfang an so eingefädelt hast.« Cejla ließ nicht locker. »Wenn das dein Plan gewesen sein sollte, bist du ein Genie!«
    Straner seufzte. Warum verschwand sie nicht einfach?
    Auf halber Höhe der kilometertief eingeschluchteten Achsenstraßen glitten schwere Shuttles und Schiffe dahin. Man ahnte vage, dass es dafür vorgesehene Korridore gab. Aber im Grunde wählte auch hier jeder den Weg, der ihm vorteilhaft erschien. Kollisionen bei Fahrzeugen dieser Größenordnung, einige Hundert Meter über Grund, wären sicher spektakulär gewesen. Aber auch hier fiel nichts vor. Mit glühenden Positionslichtern und fauchenden Triebwerken, weiße Kondensstreifen und blaue Fusionsrückstände wie Federboas nachschleppend, schoben sich die Schiffe aneinander vorbei, wanden sich umeinander, kreuzten einander, rangierten messerscharf und schafften es doch immer irgendwie, ohne Kratzer und Schrammen aneinander vorbeizukommen.
    »Und was willst du nun anfangen?«
    Die Hitze hatte nachgelassen, sowie die Sonne hinter den riesigen Wohntürmen im Westen verschwunden war. Auf dem Balkon, wo ein starker Luftstrom ging, war es angenehm. Die Atmosphäre in der Stadt roch nach Ozon und verbranntem Gummi, nach Öl und entwichenem Plasma, nach zu vielen Menschen und ihren körperlichen Ausdünstungen. Es war eine Mischung aus Raumhafen und U-Bahn, selbst hier, einige Hundert Meter über dem Asphalt, der bis vor ein paar Augenblicken noch gesiedet hatte. Er sehnte sich danach, wieder in das Gewühl einzutauchen. Sein Aufenthalt, als »Gast« des Palastes, war komfortabel, aber fast ein wenig zu luxuriös. Er verleitete dazu, sich gehen zu lassen. Dabei musste er sich allmählich auf seinen Auftrag konzentrieren. Morgen oder übermorgen würde die Kommission ihre Arbeit aufnehmen. Dann konnte er endlich mit seinen Nachforschungen beginnen.
    Ein schmerzhaftes Prickeln zwickte ihn am Handgelenk.
    »Hörst du mir überhaupt zu?«
    Straner atmete tief durch.
    »Was gibt es denn da draußen zu sehen?«
    Er hätte es ihr nicht erklären können. Er liebte den Balkon – viel zu spät hatte er ihn für sich entdeckt –, weil er hier seinen Gedanken nachhängen konnte, während seine Blicke auf den riesigen Boulevards spazieren gingen. Aber wenn sie ihn gefragt hätte, woran er dabei dachte, hätte er wahrheitsgemäß eingestehen müssen, dass er eigentlich an gar nichts dachte.
    Er ging hinein.
    »Guten Abend, Fremder.«
    Ihm fiel auf, dass Cejla sich zu so etwas wie Ironie hinreißen ließ. Die nervliche Anspannung, die es für sie bedeuten musste, ihn in Schach zu halten, entlud sich in Anflügen von Sarkasmus, den er ihr bislang nicht zugetraut hatte.
    »Hallo!« Er warf sich der Länge nach aufs Bett, dessen Magnetfelder sanft ausschwangen und sein Körpergewicht neutralisierten. Obwohl er das Deckbett aus serafidischer Seide berührte, war es, als befände er sich in einem fortwährenden freien Fall, der nie einen Boden erreichen würde. So fühlte er sich, seit er hier gelandet war. Er hatte bis heute keine Fühlung mit der

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