Bran
wieder unter Kontrolle zu bringen. Aber natürlich hatte sie längst alle sensiblen Informationen ausgelesen.
Straner starrte die Infantin an. Irgendetwas stimmte nicht. Wenn sie wirklich Mordals Tochter war, gezeugt mit der Kurtisane Leli, müsste sie dann nicht das Stirnemblem der großen Hure tragen? Die Arabeske in Form einer Kaktusblüte. Aber Kundalis Stirn war glatt und ebenmäßig. Ein hennafarbenes Tattoo prangte darauf, ein bloßes modisches Accessoire. Also war auch diese Theorie hinfällig.
Straner spürte etwas wie ein Beben. Keine Erderschütterung, kein Schwanken des Raumes, sondern ein Aufruhr in der Zeit. Die Vergangenheit, die er gesehen hatte, war nicht fest, nicht fertig. Er war zu früh abgereist. Er hätte warten müssen, bis die Ereignisse ihren Lauf genommen hatten und unumstößlich geworden waren. Er musste noch einmal zurück.
»Was ist so lustig, Referentin?«
Er war Kundali nicht verborgen geblieben, dass Cejla sich heute wie ein albernes Schulmädchen aufführte. Auch Straner wunderte sich über ihr aufgeräumtes Verhalten, das so gar nicht zu ihr passen wollte. Hatte sie im Rahmen ihrer bisherigen Bekanntschaft je auch nur gelächelt? Und jetzt prustete sie hinter vorgehaltener Hand, und ihre schmalen Schultern in dem eleganten rauchblauen Kostüm zuckten vergnügt.
»Er war in »Leli’s Budike«!«
Straner spürte, wie der Zorn ihm in die Schläfen stieg.
Kundali setzte ein gleichmütiges Gesicht auf.
»Ich bin ein Mann aus Fleisch und Blut …« Ihm war bewusst, dass er die Gewalt über sich verlor. Gleich würde es eine Katastrophe geben. Aber er konnte nicht dagegen an. »Du wolltest ja nicht …«
Er sagte das nur, um sie bloßzustellen, um sie zu verletzen. Aber es verblüffte ihn selbst, mit welcher Wut er es hervorstieß.
»Die Serafidin sind keine Huren.« Cejla lächelte genüsslich. »Das habe ich dir schon gesagt.«
»Alle Huren, die ich kannte, waren Serafidin.« Es überraschte ihn, dass sie ihm den Konter so einfach machte.
Sie erwiderte nichts. Stattdessen lachte sie laut heraus.
Cejla lachte!
Dann strich sie ihm mit der Hand zart über die Wange.
Straner verstand gar nichts mehr.
»Schluss damit!« Kundalis Augen hatten sich in schmale Schlitze verwandelt, aus denen sie die beiden finster anstarrte. »Für heute habe ich wirklich genug.« Sie stieß sich mit den Fäusten von der Tischplatte ab und stand auf. In der Tür besann sie sich.
»Wenn du wieder dorthin gehst«, sagte sie zu Straner. »Lass es mich wissen. Ich werde dich begleiten.«
Cejlas Lachen lebte wieder auf, wie eine Flamme, wenn man Reisig hineinwirft. Dann riss sie sich zusammen. Während sie die einzelnen Funktionen ihres Tattoos gewissenhaft beendete, zwinkerte sie Straner zu. Je fröhlicher sie sich gab, umso weniger begriff er.
In der Tür fliegen ihm Lenas Zöpfe entgegen.
»Da bist du ja endlich wieder!«
Sie führt ihn hinein. Aus der Küche dampft der warme Brodem von Gemüsesuppe, die auf kleiner Flamme köchelt, brutzelnden Steaks und fetten Rahmsaucen.
»Du wirst bereits erwartet.« Die Studentin tut geheimnisvoll.
Straner sehnt sich nach medium gegartem Fleisch und frisch gezapftem Bier. Und dann will er sich auf der gefederten Matratze ausstrecken.
»Er lungert schon seit einer Stunde hier herum.« Lenas blaue Augen scheinen im Halbdunkel des Zwischengangs zu phosphoreszieren.
Straner sagt nichts. Aber es ist klar, dass seine Landung von irgendjemand registriert worden ist. Nur hat dieser Jemand nicht damit gerechnet, dass er den ganzen Weg vom Raumhafen hierher zu Fuß gehen würde!
»Dort!«
Das Schankmädchen deutet den im Zwielicht liegenden Gang hinunter, der von der Küche an Keller und Lagerräumen vorbei zu den Gästezimmern führt.
»Ich komme zurecht.«
Auch jetzt bleibt sie einen Schritt hinter ihm stehen und lugt neugierig an ihm vorbei, wo sich im Dämmer des fensterlosen Vorraums vage die Silhouette eines Mannes abhebt. Er steht leicht gebeugt und ist in einen weiten schwarzen Umhang gehüllt.
»Danke!«
Straner wartet, bis Lena sich in die Küche zurückzieht. Es ist spät am Nachmittag. Bald werden die ersten Gäste kommen. Bestimmt muss sie draußen noch eindecken!
Wortlos geht er an dem Fremden vorbei, der statuarisch dasteht und wartet, dass Straner die Tür zu seinem kleinen Zimmer öffnet.
Als sie ungestört sind, registriert Straner, wie der Fremde eine leistungsstarke Abschirmung hochfährt. Seine Implantate müssen wesentlich
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