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Brandbücher - Kriminalroman

Brandbücher - Kriminalroman

Titel: Brandbücher - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Ebbert
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ein weiterer Mann in SA-Uniform stieg ein. Die rote Binde mit dem weißen Kreis, aus dem das Hakenkreuz hervorstach, wirkte bedrohlich. Nicht zum ersten Mal wünschte sich Samuel die Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen.
    »Mensch, Karl, wie geht diet?« Das neue Braunhemd brüllte so laut, dass alle im Zug mithören konnten. Er blieb neben Samuels Nachbar stehen und stieß ihn an.
    »Wat is dann loss?«, knurrte Karl und öffnete langsam die Augen. »Kass mie nich schlopen loten?«, brummte er und sah Samuel an.
    Da bekam er einen weiteren Stoß von dem neuen Braunhemd. »Gehört denn to die?«, wollte der Hinzugekommene wissen. Er schwieg kurz, zog die Nase hoch und fügte dann hinzu: »Denn rök as ne Jud!«
    Samuel zuckte zusammen und ärgerte sich gleichzeitig. Sein Zusammenzucken war so etwas wie eine Bestätigung. Er hatte in den letzten Monaten viel gehört, aber dass ihm nachgesagt wurde, er rieche wie ein Jude, das war neu. Was unterscheidet den Geruch eines Juden von dem eines Nicht-Juden?, fragte er sich. Auf die Antwort musste er nicht lange warten.
    »De Juden rukt no Blood«, behauptete das Braunhemd, das noch immer im Gang stand und seine Weisheiten in das ganze Abteil posaunte. »Dat kümp dorvan, dat de Blood drinkt.« Dabei verzog er ebenso angeekelt das Gesicht wie Samuel. Allein bei der Vorstellung, er müsste Blut trinken, wurde ihm schlecht.
    »Wat kiekse?« Der SA-Mann hatte Samuels Blick bemerkt. »Worüm sits du un ick stoh hier. Lot mie äs sitten!«, forderte er Samuel auf und sah ihn mit dem gleichen durchdringenden Blick an wie die Braunhemden an der Uni.
    Samuel griff unter den Sitz. Er wollte seinen Koffer hervorholen. Der Klügere gibt nach, dachte er.
    »Denn Koffer kasse stohn loten«, rief das Braunhemd, »denn brukse nich mehr!« Dabei lachte er schallend.
    Samuel sah, dass diese Bemerkung selbst seinem Nachbarn unangenehm war. Die anderen Fahrgäste, die den Mann im Gang vorher neugierig beobachtet hatten, sahen wieder vor sich und betrachteten ihre Knie.
    Samuel hatte Glück. Gerade als er aufstehen wollte, hielt der Zug mit einem Ruck an. Der SA-Mann stieß gegen die Abteiltür. »Driet«, brüllte er und hielt sich den Kopf.
    Kaum merklich hob Samuels Nachbar seine Beine an, als wollte er Samuel Platz machen. Der zog den Koffer unter der Bank hervor und schob sich an das andere Ende des Abteils, während der SA-Mann im Gang sich den Kopf rieb und leise schimpfte.
    Erleichtert sah Samuel, dass er in Steinfurt war. Hier musste er in die Nordbahn umsteigen. Ängstlich blickte er sich um, ob das Braunhemd ihm gefolgt war. Der Zug fuhr bereits weiter, außer Samuel waren nur drei junge Frauen auf dem Bahnhof, die sich untergehakt hatten und kicherten, als hätten sie etwas Schönes erlebt.
    Samuel ließ sich auf die nächstbeste Bank auf dem Bahnsteig fallen und atmete aus. Erst jetzt bemerkte er, dass er vor Angst die Luft angehalten hatte. Er drückte den Koffer und die Tasche an sich und schaute sich vorsichtig um. Sein Blick fiel auf die Banklehne. ›Nicht für Juden‹, las er und erstarrte.

8
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    Ich mag gar nicht mehr durch die St a dt gehen. Überall starrt er mich an. Heute hat er auf einem Plakat eine rote Fahne mit einem Hakenkreuz drauf in der Hand. Das ganze Plakat war voller Hakenkreuze und am Himmel war ein heller Schein, fast wie der Heiligenschein auf dem Jesusbild, das ich letztens bekommen habe. Mit dem Blümchenrand sieht das Plakat ganz harmlos aus.

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    Manchmal ist der Reichspräsident mit auf dem Plakat. Der Hinden b urg sieht ganz nett aus, den würde ich wählen. Aber diesen komischen Hitler. Nein, der gefällt mir nicht. Schon diese Frisur sieht so geleckt aus. So sieht doch keiner aus, der arbeiten muss. Da sind die Haare durcheinander, wenn er sie nicht mit Seife festklebt. Und dann dieser Schnäuzer. Ich muss immer lachen, wenn ich den sehe. Der sieht aus, als hätte er sich ein Stückchen Kaninchenfell unter die Nase geklebt.

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    Ich hoffe, dass die anderen das auch so sehen und ihn nicht wählen. Ich weiß schon, was ich wähle. Mir hat das Plakat von der Deuts c hen Staatspartei am besten gefallen. ›Bewahrt Deutschland vor Abenteuern!‹, steht da. Das will ich auch, keine Abenteurer und keine Abenteuer, höchstens welche, die ich mir selbst aussuche. Mit einem Boot auf dem Aasee fahren. Davon hat Samuel erzählt, als er nach Münster gezogen ist. Dann steht da ›Statt Reden – Arbeit!‹ auf einem Plakat. Das stimmt

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