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Brandbücher - Kriminalroman

Brandbücher - Kriminalroman

Titel: Brandbücher - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Ebbert
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ihre Gedanken nicht an ihrem Gesicht ablesen konnte.
    Ihr Handy summte ›Auf de Schwäb’sche Eisebahne‹. Martin Kleine lachte schon wieder. Karina kramte hastig in ihrer Umhängetasche. ›Auf de Schwäb’sche Eisebahne‹, summte das Handy zum zweiten Mal, bis sie es endlich gefunden hatte.
    »Ja?«, nuschelte Karina ins Telefon. Sie spürte, wie einige Gäste zu ihr herübersahen.
    »Ich bin in einer halben Stunde da!«, hörte Karina nur. Gerade wollte sie Jenny den Weg zum Haus der Großeltern erklären, da fiel ihr etwas ein.
    »Am besten fährst du ins Parkhaus am Einkaufszentrum«, bat sie Jenny. »Ich sitze hier in dem Café direkt am Eingang und warte auf dich. Bis gleich«, fügte sie hinzu und beendete das Gespräch. Sie bemühte sich, ein Grinsen zu verbergen. Auf diese Weise konnte Jenny gleich Martin Kleine kennenlernen. »Meine Freundin«, erklärte Karina dem Pfarrer. Diese Auskunft reichte den anderen Gästen, sie nahmen ihre Gespräche wieder auf.
    »Ist das hier immer so?«, flüsterte Karina Martin Kleine zu und beugte sich zu ihm herüber.
    Er antwortete mit einem Lächeln, das bei Karina ein Ziehen im Bauch hervorrief. »Daran bin ich schuld. Es ist eher ungewöhnlich, dass ich mit einer Fremden hier sitze«, wisperte Martin Kleine. »Da hört man schon mal genauer hin. Hier bleibt nichts lange verborgen. Und Ihr Klingelton ist für diese Gegend auch etwas ungewöhnlich.«

    *
    Samuel war froh, dass Bruno ihm schon am Wochenanfang erklärt hatte, dass er am Freitag nicht nach Hause fahren würde. Auch wenn das bedeutete, dass er mit dem Zug fahren musste und es nicht so bequem hatte wie im Auto. Ein Pflaster klebte rechts über seinem Auge und verdeckte die Wunde, die er sich bei einem weiteren Angriff von Studenten zugezogen hatte.
    Bruno hätte vielleicht nachgefragt, was geschehen war. Samuel war sich nicht sicher, wie Brunos Vater reagiert hätte. Er behandelte ihn stets freundlich und doch hatte Samuel bei manchen Äußerungen von Doktor Schulze-Möllering ein ungutes Gefühl. Immer wieder fielen Bemerkungen wie: »Wenn alle so wären wie du und dein Vater, dann brauchte man die neuen Gesetze nicht.« Doktor Schulze-Möllering trage ein Parteiabzeichen unter dem Revers, wurde schon seit Jahren im Ort getuschelt. Offen sagte niemand etwas, auch der Arzt nicht.
    Samuel versuchte sich in der Ecke des Zugabteils kleinzumachen. Seinen Koffer hatte er unter den Sitz geschoben. Die Mappe mit den Überresten des Stiftes hielt er fest umklammert auf dem Schoß. Neben ihm saß eine alte Frau, die etwas in Zeitungspapier eingewickelt hatte, das unangenehm roch. Nach Metzgerei. Samuel war froh, dass sie beim nächsten Halt ausstieg. Als er jedoch sah, wer sich neben ihn setzte, wünschte er sich die Alte mit ihrem übelriechenden Päckchen zurück. Ein Braunhemd warf sich auf den freien Sitz und streckte die Beine aus. Samuel schob seine Füße unter den Sitz. Soweit es ging, denn dort war sein Koffer verstaut.
    Kaum war der Zug wieder angefahren, ließ das Braunhemd sein Kinn auf die Brust sinken. Erleichtert lauschte Samuel dem Schnarchen. Was ihn früher gestört hätte, nahm er nun erleichtert zur Kenntnis. Das Braunhemd achtete nicht auf ihn. »Wer schläft, sündigt nicht!«, hatte seine Mutter manchmal gesagt, wenn sie sah, wie der nörgelnde Nachbar auf der Bank vor dem Haus lag und schlief. Seine Mutter war eine kluge Frau gewesen. Samuel vermisste sie. Manchmal war er aber auch froh, dass sie das, was derzeit geschah, nicht miterleben musste. Er mochte gar nicht daran denken, wie es seiner kleinen Schwester ergangen wäre, wenn sie leben würde.
    Samuel spürte, wie Kälte sich in ihm ausbreitete. Er schüttelte sich und stieß dabei unbeabsichtigt seinen Nachbarn an. Mit einem letzten Schnarcher regte er sich und setzte sich gerade hin.
    »Is wat?«, schnauzte er Samuel an.
    Samuel schüttelte den Kopf. Schon wollte er Nein antworten, Hochdeutsch, wie sein Vater es ihm beigebracht hatte. Dann wurde ihm klar, dass das nur größere Aufmerksamkeit bei seinem Gegenüber hervorrufen würde. »Nä, nix«, hauchte er daher und gab sich Mühe, den Dialekt der Region nachzumachen. Schon als Zehnjähriger hatte er damit begonnen, Plattdeutsch zu lernen, weil die Kinder auf der Straße ihn ausgelacht und ihm nachgerufen hatten: »Du meenz wall, du büs wat Betteret.« Das Braunhemd neben Samuel nickte nur und schloss wieder die Augen. Ehe Samuel erleichtert aufatmen konnte, hielt der Zug an und

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