Brandbücher - Kriminalroman
daher antwortete sie: »Was man alles im Internet finden kann.«
»Das stimmt, das ist wirklich beeindruckend. Was haben Sie denn gerade gefunden?«, erkundigte sich der Mann und nahm einen Schluck aus dem Kaffeebecher, der neben seinem Notizbuch stand.
»Ich habe gerade alte Postkarten der Stadt gefunden. Da gibt es eine Internetseite, auf der nur alte Postkarten gezeigt werden. Wer gibt sich solche Mühe?«, ließ Karina sich auf das Gespräch ein.
»Darf ich mal?«, fragte der Unbekannte und stand auf, um von der Seite auf den Bildschirm zu schauen. »Wirklich beeindruckend!«, bestätigte er und ging zurück an seinen Platz. »Wer hat die Bilder denn hochgeladen?«
Sie suchte auf der Seite nach dem Impressum. »Fabian Holtkamp«, sagte sie dann.
Der Mann nickte, als würde er den Namen kennen. »Das passt. Der Junge ist ein Computerfreak und hat die Seite sicher für seinen Großvater erstellt. Das ist einer unserer ältesten Einwohner. Er sammelt Postkarten und hat, wie er sagt, schon vor dem Krieg damit begonnen«, berichtete er.
Karina horchte auf. »Wie alt war der Sammler im Krieg?«, wollte sie wissen.
Der Mann sah sie überrascht an. »Zehn oder zwölf Jahre, schätze ich. Interessieren Sie sich für die Zeit besonders oder warum fragen Sie?«
»Ach, nur so«, gab Karina zurück. Sie musste nicht jedem gleich auf die Nase binden, was sie gerade beschäftigte. So gut kannte sie den Mann schließlich nicht. Auch wenn ihr sein Lachen durchaus gefiel.
»Ich heiße übrigens Martin Kleine«, stellte der Mann sich vor. »Ich bin Pfarrer, deswegen kenne ich viele Leute hier.«
»Ich bin Karina Bessling«, erwiderte sie und sah den Pfarrer an. »Sie sind der evangelische Pfarrer, gell?«
Martin Kleine lachte. »Ich weiß zwar nicht, warum das wichtig ist, aber ich bin evangelischer Pfarrer. In der Pfarrei in Gemen, um ganz genau zu sein. Jetzt komme ich gerade von einem Krankenbesuch«, fügte er hinzu. Das interessierte Karina wenig, viel interessanter fand sie, dass ihre Großtante kurz vor ihrem Tod mit ihm telefoniert hatte. Auf ihren Namen hatte er allerdings nicht reagiert. Aber sicher war es schon zwei Monate her, dass Tante Katharina ihn angerufen hatte.
»Kannten Sie vielleicht meine Großtante Katharina Bessling?«, fragte Karina. Der Pfarrer schlug sein Notizbuch auf. Karina versuchte über den Tisch hinweg etwas zu erkennen. Aber mehr als ein alphabetisches Register konnte sie nicht ausmachen.
Ob er sich zu jedem Gemeindemitglied Notizen macht?, überlegte sie und beobachtete genau, bei welchem Buchstaben Martin Kleine das Buch aufschlug. »Bessling, Katharina«, sagte er schließlich. »Sie war zwar nicht in meiner Gemeinde, aber sie hat mich einmal angerufen, weil sie eine Frage hatte.«
Karina sah den Pfarrer erwartungsvoll an. Sie biss von ihrem Brötchen ab, ohne den Blick von dem Mann am anderen Tischende zu nehmen. Doch der schwieg und rührte in seinem Kaffeebecher.
»Was wollte meine Großtante denn wissen?« Nachdem Pfarrer Kleine nicht weitergesprochen hatte und sie nur nachdenklich anstarrte, platzte die Frage förmlich aus ihr heraus.
»Sie wollte wissen, ob ich ihr etwas über die Familie Schulze-Möllering sagen konnte.« Der Pfarrer sprach langsam. »Im ersten Moment sagte mir der Name nichts, aber dann habe ich mich an einen Vortrag über das Dritte Reich erinnert, in dem der Name erwähnt wurde.«
Wieder schwieg Martin Kleine eine Weile. Karina betrachtete ihn. Er war nur wenige Jahre älter als sie, das wunderte sie. Pfarrer waren in ihrer Vorstellung immer alt. Dieser sah nicht schlecht aus. Er hatte schwarze, kurz geschnittene Haare und trug eine Brille mit einem hellgrauen Metallgestell. Das Gesicht war schmal, wie er überhaupt eher schlank war. Das war Karina sofort aufgefallen, als er sich neben sie gestellt hatte. Er wirkte sportlich. Vielleicht joggte er jeden Morgen einige Kilometer.
»Ich habe Ihrer Großtante versprochen, nachzuforschen, was aus der Familie geworden ist. Dann habe ich erfahren, dass sie gestorben ist und mich nicht weiter darum gekümmert«, fuhr der Pfarrer fort.
»Schade«, seufzte Karina.
»Wieso?«, erkundigte sich Martin Kleine.
»Ach, das ist eine lange und komplizierte Geschichte«, stöhnte Karina und starrte in ihren Kaffeebecher, auf dessen Boden winzige Kaffeepfützen zu sehen waren.
»Ich liebe lange und komplizierte Geschichten«, erklärte Martin Kleine und fügte schmunzelnd hinzu: »Sie sind sozusagen das tägliche
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