Brandbücher - Kriminalroman
haben. Da könnten ja bald Kinder kommen, hat man mir gesagt, als ich Mitglied werden wollte. Mir würde das Spaß machen, einmal in der Woche zu einem Treffen zu gehen und wie die Männer am Stammtisch mit anderen Frauen zu reden.
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Berta ist begeistert von dieser Frauens c haft. Sie geht schon länger dahin. An den Abenden bekommen sie Tipps fürs Kochen und andere Sachen im Haushalt. Oft singen sie zusammen oder machen Spiele. Manchmal gibt die Leiterin ihnen Tipps, wie man sich einen Mann angelt. Solche Tipps brauche ich nicht. Ich habe meinen Gerhard, immerhin haben wir uns schon einmal geküsst. Aber es wäre schon schön, wenn ich jemanden fragen könnte, wenn ich nicht weiß, wie ich einen Fleck wegkriege oder wenn der Kuchen verbrannt ist.
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Erst als Berta mir das Blatt hingehalten hat, habe ich gesehen, dass d as ein Naziverein ist. Ich habe mich herausgeredet und gesagt, ich müsste das zuerst mit Gerhard besprechen, weil wir bald heiraten wollen. Das war eine gute Idee. Berta wollte genau wissen, wann wir heiraten und ob Gerhard schon um meine Hand angehalten hat. Ihr Blatt und ihre Frauenschaft hat sie darüber ganz vergessen. Dann hat zum Glück Herr Weizmann gerufen. Berta war schon draußen, da hat sie mir zugeflüstert: »Ick hör to denn nächsten Ersten bie de Melzers up. Du sös die uk gau ne neie Stellung söken. Dat met de Juden, dat wöd nix mehr.«
Als Karina und Jenny von ihrem Ausflug in die Stadt zurückkamen, blinkte die rote Leuchte des Anrufbeantworters.
Karina starrte den roten Knopf an. Wer sollte sie hier anrufen? Jeder wusste, dass sie nur auf ihrem Handy oder per E-Mail erreichbar war. Neugierig drückte sie auf die Taste zum Abspielen der Nachricht.
›Martin Kleine‹, schallte aus dem Lautsprecher des Telefons.
Jenny stieß Karina in die Seite. »Hey, er will sich mit mir verabreden. Wetten?«
Karina wunderte sich darüber, wie selbstverständlich Jenny davon ausging, dass sich die Welt um sie drehte. Sie hörte, dass Martin Kleine eine Telefonnummer nannte und sah, dass Jenny bereits ihr Handy aus der Tasche zog und die Telefonnummer abspeicherte. Mist, dachte sie. Sie hatte nicht mitbekommen, was er gesagt hatte. Sie drückte die Abhörtaste erneut.
›Martin Kleine. Ich habe mich ein bisschen umgehört‹, erklang die Stimme des Pfarrers leicht verzerrt. ›Ihre Großtante war nicht nur Köchin in der Familie, der bis 1933 der Buchladen gehört hat. Sie hat ihn danach selbst geleitet. Die Familie ist über Nacht verschwunden. Der Vater Jakob Weizmann und sein Sohn Samuel. Zuerst dachte man, die Nazis hätten sie geholt und mit den anderen Juden weggebracht. Aber wissen Sie was, das ist etwas kompliziert. Rufen Sie mich doch bitte zurück, dann können wir uns treffen.‹ Martin Kleine nannte seine Telefonnummer und verabschiedete sich mit einem altertümlichen ›Auf Wiederhören‹, das Karina schon lange nicht mehr gehört hatte. Auch das war ein Relikt aus den Anfängen des Telefons. So wie das ›Vielen Dank für den Anruf‹, das ihr Vater an jedes Telefonat hängte.
»Na, das war wohl nichts mit einem Date!« Karina konnte es sich nicht verkneifen, ihrer Freundin diese Bemerkung mit einem gehässigen Unterton zuzuwerfen. Doch die ließ sich davon nicht beirren. »Ist doch egal«, meinte sie nur. »Ich habe seine Telefonnummer. Dann rufe ich ihn eben an.«
Karina sah auf die Uhr. Es war fast Mitternacht. »Aber nicht mehr heute«, stellte sie fest. Sie sah ihrer Freundin an, dass sie protestieren wollte.
Doch dann lenkte Jenny ein. »Vermutlich muss er morgen früh raus. Obwohl ich ja schon wissen möchte, was es mit deiner Großtante und diesen Juden auf sich hatte. Wer weiß, vielleicht war deine Großtante ein Nazi!«
Karina sah ihre Freundin mit einem seltsamen Blick an. Ob sie sie ärgern wollte? Doch in Jennys Gesicht glaubte sie, nur ehrliche Neugier zu erkennen, die sich über den träumerischen Blick gelegt hatte, den sie bekam, wenn sie von Martin Kleine sprach.
Ob ich auch so blöd aussehe, wenn ich verliebt bin?, fragte sich Karina. Sie schob den Gedanken beiseite und hörte sich ein weiteres Mal die Nachricht des Pfarrers an. Sie versuchte, diese Information mit ihren bisherigen Recherche-Ergebnissen zusammenzubringen. Am liebsten hätte sie Martin Kleine sofort angerufen.
»Ich gehe schlafen.« Jenny gähnte und rieb sich die Augen. »Landluft macht müde«, scherzte sie und verschwand in der guten Stube.
»Handtücher
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