Brandbücher - Kriminalroman
ihnen nichts.
Der Leiter des Kampfausschusses nahm einen Hammer und nagelte mit wenigen Schlägen die ersten Bücher an den Pfahl, der kleiner war als er selbst, aber von den Fackeln der umstehenden Studenten eindrucksvoll angestrahlt wurde.
Samuel schauderte, als er im Schein der Fackel das Gesicht des Studenten mit dem Hammer sah. Es schien ihm richtige Freude zu bereiten, die Bücher an den Pfahl zu nageln. Wie konnte ein Student so mit Büchern umgehen? Das würde er nie verstehen.
»Komm!« Bruno zog Samuel am Arm über den Platz. »Wartet!«, rief er Roloff und den anderen Studenten zu, die dabei waren, weitere Bücher an den Pfahl zu nageln. »Hier, er soll sich nützlich machen!« Bruno schubste Samuel nach vorn. Samuel strauchelte, doch Bruno zerrte ihn hoch, ehe er auf dem Boden aufschlagen konnte, und nahm einem der Studenten den Hammer aus der Hand.
»Hier, nimm!«, forderte er Samuel auf.
Samuel sah sich um. Es herrschte eine merkwürdige Stimmung. Wo er hinblickte, standen diese Braunhemden.
»Es macht doch viel mehr Spaß, zuzusehen, wie ein Jude die Werke der Juden an den Schandpfahl schlägt«, schrie Bruno in die Menge.
Die Leute johlten und klatschten laut. »Nageln! Nageln!«, skandierten sie.
Samuel hatte keine Chance. Er war eingekesselt von Menschen, die ihn erwartungsvoll ansahen. Es gab nur einen Weg. Während er das Buch ›Geschenke des Lebens‹ von Emil Ludwig unter dem Jubel der Zuschauer an den Schandpfahl nagelte, schwor er sich, Bruno Schulze-Möllering keine Gelegenheit mehr zu geben, ihn und seinen Vater zu demütigen.
22
11IY5693
»Versteck sie gut«, h a t Herr Weizmann mich gebeten. Aber wo? Herr Weizmann wollte mir seinen Koffer geben, aber ich habe den meines Vaters mitgebracht. Er hätte sich gewundert, wenn ich auf einmal mit einem fremden Koffer aufgetaucht wäre. Ich habe alles eingepackt. Der Koffer war so schwer, dass ich Gerhard bitten musste, mich mit dem Fahrrad nach Hause zu begleiten. Wir haben den Koffer auf den Gepäckträger gestellt.
11IY5693
»Was ist denn da drin?«, wollte Gerhard ständig wissen, aber ich ha b e Herrn Weizmann versprochen, dass ich niemandem etwas verrate. Auch Gerhard nicht. Nicht einmal Anton. Zu Hause habe ich den Koffer im Schweinekoben versteckt. Ich musste warten, bis alle schliefen und mich niemand sehen konnte.
Nach ihrer Rückkehr aus Frankfurt fuhr Karina sofort zu Martin, um ihm von ihrem Verdacht zu berichten. Er riet ihr, der Polizei erst einmal nur zu erzählen, dass sie das Logo auf dem Auto von Pelle Maibaum gesehen hatte.
»Sollen die doch den Rest herausfinden, auf jeden Fall werden sie überprüfen, ob gegen ihn schon einmal ermittelt wurde und ihn dann genauer unter die Lupe nehmen.« Er strich Karina das Haar aus dem Gesicht und fuhr ihr beruhigend über die Wange. »Es wird sich alles aufklären, da bin ich sicher. Du hast doch schon so viele Informationen gesammelt.«
Karina war skeptisch, diese Stadt war ihr unheimlich, jeder schien mit jedem verwandt. Nach dem, was sie in den letzten Tagen erfahren hatte, erhielt die Redensart von der Leiche im Keller, die ihr sonst so leicht über die Lippen gekommen war, eine ganz neue Bedeutung.
»Gibt es hier eigentlich so etwas wie den Lions Club, Rotarier oder Freimaurer?« Karina sah Martin fragend an.
Der lachte nur. »Du meinst, die haben sich gegen dich verschworen?« Er konnte nicht mehr aufhören zu lachen. »Wenn ich die Leute hier richtig verstehe, sind die entweder miteinander verwandt oder im gleichen Verein. Da brauchst du nicht nach Elite-Zirkeln zu suchen. Der Sportverein oder Kegelclub, eine gemeinsame Schulzeit oder die Mitgliedschaft im Schützenverein reichen aus, um sich gegenseitig zu unterstützen.«
Natürlich gab es auch in Stuttgart Sportvereine, Filz und Klüngel, da machte Karina sich nichts vor, aber hier schien ihr das bedeutend schlimmer zu sein. Vielleicht kam ihr das nur so vor, weil sie sich hier im Mittelpunkt einer solchen Verschwörung fühlte, die womöglich nicht einmal eine war.
»Ich muss mit Jonathan Weizmann telefonieren«, beschloss Karina und sah auf die Uhr, ob in Santa Monica Nacht war. Sie zog ihr Handy aus der Tasche.
»Warum rufst du nicht über Skype an?«, schlug Martin vor.
Karina ärgerte sich, dass sie nicht selbst darauf gekommen war, aber da sie ihr Laptop und ihr Headset nicht bei sich hatte, hatte sie nicht daran gedacht, obwohl sie auch mit dem Netbook, wenn auch umständlich, skypen konnte.
Martin
Weitere Kostenlose Bücher