Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brandbücher - Kriminalroman

Brandbücher - Kriminalroman

Titel: Brandbücher - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Ebbert
Vom Netzwerk:
Samuel grinste schadenfroh, als er Brunos Stimme hörte. Das geschah ihm recht. Bruno brüllte so laut, dass sich sogar die Passanten in der Nähe umsahen. »Wer hat die denn weichgeknetet. Das gibt’s doch nicht. Aber nicht mit uns. Unser Schandpfahl wird stehen! Und wenn ich ihn persönlich bewachen muss!«
    Augenblicklich meldete sich die lispelnde Stimme zu Wort. »Der Pfahl ist fertig. Wir brauchen ihn nur aufzustellen.«
    »Genau, wir haben schon alles vorbereitet«, ertönte die Stimme eines weiteren Mannes. »Selbst die Zeitungsredaktion ist informiert und hat versprochen, über unsere Aktion zu berichten.«
    Samuel konnte nicht sehen, was in dem Raum geschah. Es wurde nicht gesprochen, er hörte nur Schritte und schließlich die Stimme Roloffs. Der Anflug von Zorn war unüberhörbar, als er sagte: »Na gut. Dann belassen wir es dabei und treffen uns am Samstagmorgen wie gehabt auf dem Domplatz. Ich erwarte vollzähliges Erscheinen. Am besten im vollen Wichs, damit wir etwas hermachen.« Es kam Samuel so vor, als wollte Roloff mit der letzten Bemerkung seine Führungsposition herausstellen.
    Das Scharren vieler Stühle und Stiefel verriet ihm, dass die Gruppe sich auflöste.

21
    10IY5693
    Heute Mittag klopfte es an der H a ustür. In der Mittagszeit. Am Sabbat, der den Juden so wichtig ist wie uns der Sonntag. Ich habe gerade die Bücher in der Wohnung abgestaubt. »Mach mal auf«, hat Herr Weizmann gerufen. Vor der Tür stand Bruno Schulze-Möllering in seinem braunen Hemd und dieser hässlichen Hose. »Ich will Samuel abholen«, herrschte er mich an. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Da stand Samuel auch schon hinter mir und fragte: »Was willst du?«

    10IY5693
    Hinter Bruno sah ich die Kinder, die zur Maitremse liefen und schon auf dem Weg sangen: »Oh Buer, wat kost dien Heu?« Schade, dass ich zu alt war, um mitzutanzen. Das hat mir immer Spaß gemacht. A b er es war auch nicht die Zeit dafür, das merkte ich Bruno an, der sich umdrehte und brüllte: »Kann man denn nicht mal am Samstag seine Ruhe haben?« Nicht einmal vor einem Kinderspaß macht der Halt, wohin soll das führen?

    10IY5693
    »Ich will dich mit nach Münster nehmen, da ist eine sehr gute Veranstaltung«, herrschte Bruno Samuel an. Mir gefiel sein Gesi c htsausdruck nicht. Er hat auf Samuel eingeredet, dass sie doch alte Freunde wären. Und als der nicht mitkommen wollte, hat er Herrn Weizmanns Kalender, der neben der Haustür hing, von der Wand gerissen und brüllend auf den Boden geworfen. Dann ist er leise geworden. Ich konnte nicht verstehen, was er sagte. Nur sehen, dass Samuel seine Jacke genommen hat und an ihm vorbei aus dem Haus gegangen ist. Ich habe den Kalender aufgehoben und mit nach oben genommen. Auf dem obersten Blatt stand: 10. Iyyvar 5693.

    10IY5693
    Herr Weizmann hat mir einmal erklärt, dass in seiner Religion die Tage anders gezählt werden. Wenn ich bei Weizmanns bin, schreibe ich die Termine immer so auf. Manchmal auch zu Hause, wenn ich für Vater einen Brief schreiben muss. Er hat sich schon beschwert. Seitdem achte ich immer darauf, wie ich schreibe. Und manchmal schreibe ich das Datum auch extra wie Herr Weizmann.

    »Dein ist mein ganzes Herz«, sang Karina auf dem Weg nach Frankfurt. Für lange Fahrten lag immer eine CD mit Songs von Max Raabe und dem Palastorchester im Auto. Sie liebte diese Musik. Dabei konnte sie gut nachdenken und wie jetzt die Fragen sortieren, die sie in Frankfurt klären wollte. Der Tipp, im Archiv des Börsenvereins nach Informationen zu suchen, war von der Buchhändlerin gekommen. Karina hatte sich an sie gewandt, um mehr über die Geschichte des örtlichen Buchhandels zu erfahren. Leider hatte die Frau ihr nicht helfen können, sie hatte lediglich einige alte Jahrbücher des Kreises zu Tage befördert und ihr mitgegeben: »Da gibt es immer mal Artikel über die NS-Zeit hier in der Region.« Nach kurzem Nachdenken hatte sie einige Broschüren der Reihe ›Aus der Geschichte unserer Stadt‹ mit in die Kiste gepackt. Über Langeweile konnte sich Karina seitdem nicht beklagen.
    Auf der Autobahn ging ihr vor allem der Polizeibericht aus der alten Zeitung nicht aus dem Kopf. ›… dass Dr. S-M oder sein Sohn die Hausangestellte K. B. vergewaltigt haben.‹
    War das der Grund, warum ihre Großtante die Stelle gewechselt hatte? Konnte es sein, dass ein ehrbarer Arzt, auch wenn er in der NSDAP war, sich an seiner Hausangestellten vergriff? Und sein Sohn ebenfalls? Ein angehender

Weitere Kostenlose Bücher