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Brandbücher - Kriminalroman

Brandbücher - Kriminalroman

Titel: Brandbücher - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Ebbert
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ihnen genannt hatte.
    »8. Mai 2002 und 8. Mai 1933«, sagte er im gleichen Moment, als Karina rief: »Du hast recht. Sieh dir diese Karte an.«
    Mit dem Rechner wandelten sie die jüdischen Daten in wenigen Minuten um, sodass sie alle Karten in die richtige Reihenfolge bringen konnten. »Stimmt. Keine einzige Karte vor dem 31. Januar 1933, dem Tag nach Hitlers Machtübernahme«, dachte Karina laut.
    »Wir müssen prüfen, ob wir etwas übersehen haben.« Sie drängte Martin, mit ihr in das Wohnhaus ihrer Großtante zu fahren. »Vielleicht hat sie weitere Karten an einer geheimen Stelle versteckt.«
    »Oder vergraben«, meinte Martin und zeigte auf die Karten, auf denen von Sand und einer Schaufel die Rede war.

    *

    Als Samuel die Ladentür aufschloss, fiel ihm die Zeitung entgegen. Eine Stelle war rot angestrichen, darunter stand: ›Das gilt auch für euch!‹ Er machte einen Schritt vor die Tür und sah sich um, es war niemand auf der Straße zu sehen. Die Zeitung konnte schon länger dort stecken. Er ärgerte sich, weil er genau wusste, dass sein Vater danach fragen würde. Er war so schwach, dass Samuel ihm diese neuerliche Aufregung nicht zumuten wollte.
    »Dein Vater fragt nach der Zeitung.« Samuel zuckte zusammen. Wie schaffte Katharina es nur immer, geräuschlos die Treppe hinunterzugehen. Bei ihm knarrte jede zweite Treppenstufe. Wenn er morgens vor der Zeit aus dem Haus schlich, um nach Münster zu fahren, rutschte er wie ein Schulbub das Treppengeländer hinunter, um seinen Vater nicht zu wecken.
    Samuel gelang es nicht, die Seiten vor Katharina zu verbergen. »Was ist das denn?«, wollte sie wissen und nahm sie ihm aus der Hand.
    »Die Deutsche Studentenschaft hat mit ihrem Kampfruf Wider den undeutschen Geist den Aufruf gegeben zu einer großen Aktion für volksbewusstes Denken und Fühlen gegen den jüdischen Geist und seine zersetzende Wirkung.*«, las sie. »Was heißt das?« Sie sah Samuel fragend an.
    Er beugte sich über sie und fuhr fort: »Alles Schrifttum, in dem jüdischer Geist seinen Niederschlag gefunden hat, muss restlos vernichtet werden. Wir fordern daher, dass jeder Deutsche seine Bücherei säubert.* Da hörst du es«, sagte er. »Sie fangen schon an, uns zu vernichten. Alles Bisherige war nur ein Vorspiel.«
    Katharina sah ihn stumm an. »Wir fordern, dass dieses Schrifttum an den unten bezeichneten Stellen abgegeben wird. Es soll dann in einer großen Kundgebung am Mittwoch, den 10. Mai, abends verbrannt werden. In keiner deutschen Bücherei dürfen in Zukunft Schriften folgender Autoren vorhanden sein.*« Obwohl er den Artikel schon einmal leise gelesen hatte, musste er ihn laut lesen, um sich klarzumachen, was das bedeutete. Er ließ die Blätter sinken. »Unglaublich, wie viele Autoren da aufgeführt werden.«
    Seine Gedanken waren schon weiter. Bruno würde der Erste sein, der vor der Tür stand und die restlichen Bücher aus ihren Regalen riss. Dabei hatte er erst kürzlich einen Großteil der jüdischen Bücher in dem Grab versteckt. Weitere Bücher konnte er nicht aus den Regalen nehmen, die Lücken würden jedem sofort auffallen.
    »Ich muss deinem Vater die Zeitung bringen«, unterbrach Katharina seine Gedanken. »Hast du nicht gehört, er hat schon zweimal danach gerufen.«
    Samuel nickte. Er hatte die Stimme seines Vaters vernommen, aber er hatte Angst, ihm die Zeitung zu überreichen. »Kannst du nicht sagen, wir hätten keine erhalten?«, bat er.
    Auch ohne Katharinas Kopfschütteln wusste Samuel, dass das keine Lösung war. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass die Zeitung einmal nicht gekommen war. Früher waren es sogar mehrere Exemplare, schließlich hatten sie sie auch zum Verkauf bestellt. Heute kam niemand mehr, um bei ihnen eine Zeitung zu kaufen.
    »Dann bringe ich sie ihm herauf!«, murmelte Samuel. Er warf einen Blick auf die Liste der Autoren, deren Bücher fast alle einmal in den Regalen ihrer Buchhandlung gestanden hatten: Nathan Asch, Lion Feuchtwanger, Gina Kaus und viele mehr. Er faltete das Blatt wieder zusammen und ging mit schweren Schritten aus dem Laden die Treppen hinauf.
    »Katharina! Kannst du heraufkommen?«, rief er wenig später nach unten. Er hörte ihre Schritte und das Knarren der Treppen, das sie sonst immer geschickt vermied.
    »Ja?«, sagte sie fragend, als sie auf dem oberen Treppenabsatz angekommen war.
    »Hier!« Die schwache Stimme seines Vaters ängstigte Samuel. Er sah, dass auch Katharina erschrak, als sie das Wohnzimmer

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