Brandbücher - Kriminalroman
betrat.
»Ich möchte dich allein sprechen«, bat Jakob Weizmann und sah Katharina an. Er gab Samuel ein Zeichen, das Zimmer zu verlassen.
Mit Unbehagen schloss Samuel die Tür. »Ich möchte dir etwas mitteilen«, hörte er seinen Vater sagen, den Rest verschluckte die alte Tür aus massivem Holz, die ihm als Kind stets unüberwindbar erschien.
23
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Was soll ich machen? Herr Weizmann hat mir den L a den geschenkt. »Ich kann das nicht«, habe ich ihm gesagt, aber er hat mich nur traurig angelächelt und gesagt: »Ich auch nicht.« Samuel hat ihn überredet, nach Holland zu gehen. »Juden sind hier nicht mehr sicher«, hat er gesagt. »Und Bücherjuden schon gar nicht.« Herr Weizmann ist ein letztes Mal durch den Laden gegangen und hat sich von den Büchern verabschiedet und der alten Kasse, die immer so ein schönes Geräusch macht, wenn sie geöffnet wird.
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»Gi b gut darauf acht!«, hat Herr Weizmann gesagt. »Vielleicht ist der Spuk schnell vorbei, dann komme ich wieder und schaue nach dem Rechten.« »Sie können mir den Laden doch leihen«, habe ich vorgeschlagen. Herr Weizmann hat nur bitter gelacht. »Lass man, Mädchen.« Er hat mich sonst nie so genannt. »Es ist besser, ich schenke ihn dir. Sonst reißen ihn sich die Nazis doch unter den Nagel.« Sonst hat er nie Du zu mir gesagt.
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Er hat mir ein Papier gegeben, auf dem steht, dass er mir den Laden verkauft. Ich musste ihm verspre c hen, erst einmal nichts davon zu sagen und das Papier zu verstecken. »Ich möchte Ihnen etwas dafür geben«, habe ich immer wieder gesagt. Aber ich habe ja nichts. Nicht einmal einen goldenen Ring oder eine wertvolle Kette. »Du hast mir schon genug gegeben«, sagte Herr Weizmann leise. »Du hast dich um uns gekümmert, als alle schon weggesehen haben. Das ist mehr wert als alles Geld der Welt.« Heute Abend werde ich sie retten.
»Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen, mit mir zu sprechen.« Karina überreichte Josefa Reinermann einen kleinen Blumenstrauß, den sie auf dem Weg erstanden hatte. »Ich hätte Ihnen gerne ein paar Blumen aus Tante Katharinas Garten mitgebracht«, entschuldigte sie sich. »Aber die sahen nicht mehr sehr fröhlich aus.«
Josefa Reinermann lachte. »Ihre Großtante hatte kein ein Händchen für Blumen, alles, was da wächst, stammt von Ihrem Großvater, der hat die Blumen gehegt und gepflegt.« Sie ging voraus in das kleine Wohnzimmer ihres Seniorenappartements. »Nehmen Sie Platz, Sie trinken doch einen Kaffee mit, oder?«
Karina musste schmunzeln, als sie die Platte mit dem Kuchen auf dem Tisch sah. An zwei Plätzen standen Gedecke mit Tassen, Untertassen, Desserttellern und Kuchengabeln, in die geschickt Servietten aus hauchfeinem Seidenpapier geschoben waren. Genauso hätte ihre Großmutter einen Gast empfangen. Ob sie ihn nun gut kannte oder nicht, Kaffee und Kuchen gehörten für sie zu einem ordentlichen Kaffeeklatsch dazu.
»Gerne«, antwortete Karina daher, obwohl sie gerade erst eine riesige Portion Buchweizenpfannkuchen bei Elisabeth Oenning gegessen hatte. Sie setzte sich auf das Sofa, auf dem ein Fotoalbum lag.
»Gucken Sie ruhig schon herein.« Josefa Reinermann war damit beschäftigt, den Porzellanfilter auf die Kanne zu setzen, deren Blumenmuster genau zu den Gedecken auf dem Tisch passte.
Karina lächelte, als sie das sah. Auch das hätte ihre Oma genauso gemacht. Bis zu ihrem Tod weigerte sie sich beharrlich, selbst Kaffee mit einer elektrischen Maschine zu kochen. Sie trank ihn, war sogar angetan von dem Kaffee aus dem Automaten von Karinas Eltern. Aber sie behauptete, sie könnte nur mit dem alten Porzellanfilter Kaffee kochen, den sie zur Hochzeit bekommen hatte.
Karina wandte den Blick von dem Filter, sie verstand die Aufforderung der alten Frau so, dass sie das Fotoalbum öffnen durfte. Auf der ersten Seite befand sich das Schwarz-Weiß-Foto eines Mädchens, das etwa zehn Jahre alt sein mochte.
»Das ist das erste Foto, das es von mir gibt«, erklärte Josefa Reinermann, während sie Kaffee in Karinas Tasse goss. Karina musste sich auf die Lippen beißen, um nicht laut herauszulachen, als sie den rosa Tropfenfänger bemerkte, der vorn an der Tülle angebracht war. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie ein solches Relikt aus einer vergangenen Zeit zum letzten Mal gesehen hatte.
»Das war an meinem zehnten Geburtstag«, fuhr Josefa Reinermann fort. »Blättern Sie weiter«, forderte sie Karina auf und schaufelte ihr mit dem
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