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Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
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war kalt im Haus. Pieplow drehte die Heizung hoch und wies auf sein durchgesessenes Sofa.
    »Sie können da schlafen. Ich bringe Ihnen eine Decke und einen Wecker. Das erste Schiff geht um sieben, Sie müssen also früh raus. Wenn Sie gehen, werfen Sie den Schlüssel in den Briefkasten.«
    »Mach ich«, sagte Thiel. »Aber welche Fähre ich nehme, weiß ich noch nicht. Wenn es hell wird, will ich erst nach dem Haus sehen.«
    »Wie Sie meinen.« Pieplow zuckte mit den Schultern. »Daran kann ich Sie nicht hindern. Hauptsache, Sie verschwinden wieder im Laufe des Tages.«
    Als er allein war, nahm Thiel die Wohnung gründlicher in Augenschein. Die Möbel hatten ihre besten Zeiten hinter sich, waren aber nicht ungemütlich. Dass einer der beiden Sessel vor der Glastür zum Garten stand, sah nach Einsamkeit und schlaflosen Nächten aus, in denen der Blick in eine lichtlose Dunkelheit tröstlich sein konnte.
    Es gab einen klobigen, alten Fernseher, ein überquellendes Bücherregal und eine Küchenzeile rechts an der Wand. Die Spüle war sauber, aber staubig wie die beiden ungeöffneten Bierflaschen, die danebenstanden.
    Dass Esstisch und Stühle fehlten, ließ auf lieblose Mahlzeiten am Couchtisch schließen.
    Außer Zucker, Salz und Mehl fand Thiel nur eine
halb volle Kaffeedose und eine angebrochene Packung Knäckebrot, aus der er eine Scheibe herausfischte. Es schmeckte pappig und klebte an den Zähnen.
    Thiel ging in den Flur, warf einen Blick in das Bad und öffnete die Tür zu Pieplows Schlafzimmer. Er sah einen Schrank, ein gemachtes Bett und einen Nachttisch, auf dem sich Taschenbücher stapelten. Auf dem Fensterbrett lagen ein paar Steine und ein großes, bizarres Stück Treibholz. Thiel schloss die Tür und ging zurück ins Wohnzimmer.
    Er setzte sich in den Sessel für einsame, schlaflose Nächte, starrte hinaus in das makellose Weiß des Gartens, fühlte sich zu Tode erschöpft und hätte gern gewusst, wie es weitergehen sollte mit ihm.
    Eine Weile widerstand er dem Gedanken, wenigstens eine Flasche Bier zu trinken, dann öffnete er sie beide auf einmal. Trank, rauchte und merkte, wie sich doch eine gewisse Ruhe in ihm ausbreitete.
    Als er in der ersten Dämmerung wach wurde, begriff er nicht gleich, wo er war. Sein Nacken schmerzte, seine Füße waren taub und kalt. Er streckte die Beine und wackelte mit den Zehen, um die Blutzirkulation wieder in Schwung zu bringen, bevor er aufstand und sich ein Frühstück aus altem Kaffee und weichem Knäckebrot machte.
    Scheußlich, aber besser als gar nichts.
    In der Nacht hatte es wieder geschneit. Die Fußspuren waren nur noch als flache Dellen erkennbar, als Thiel vor die Tür trat.
     
    Ein beständiger Ostwind mittlerer Stärke hatte am Seedeich den pulvrigen Schnee zu kniehohen Wehen getürmt. Thiel kam nur mühsam voran und verfluchte die Tasche, in der er seine Habseligkeiten zurück nach Vitte schleppte. In der eisigen Luft brannten seine Lungen, seine Augen tränten, und obwohl sein Herz mit dumpfen, harten Schlägen das Blut durch den Körper pumpte, wurden seine Hände starr vor Kälte.
    Vielleicht, dachte er, bekomme ich wenigstens die Küche irgendwie warm und muss nicht erfrieren, bevor das Mittagsschiff kommt.
    Gar nichts würde er warm kriegen. Das sah er sofort, als er vom Deich in die Sprenge einbog. Die Küche nicht, deren Fenster zerschlagen in den Rahmen hingen, und die oberen Kammern nicht, über denen das Dach eingesunken war. Durch die offene Tür war Schnee ins Haus geweht.
    Es begann langsam. Mit der Hand, die sich öffnete und die Tasche fallen ließ. Mit einem Fußtritt gegen den Rahmen der Haustür.
    Und dann, als habe das Splittern des morschen Balkens einen Damm brechen lassen, fing Thiel zu toben an. Riss die Garderobe aus der Wand und die Gardinen von den Stangen. Er packte Stühle, um sie an der Wand zu zerschmettern, und legte seine ganze Wut in den Arm, mit dem er den Küchenschrank von der Wand drückte, bis er umkippte und das Geschirr unter sich begrub.
    Er wütete und brüllte, bis er keine Luft mehr bekam.
Mit hängenden Armen stand er inmitten der Scherben und merkte erst jetzt, dass er beobachtet wurde.
    Oben auf dem Deich standen, reglos wie satte, alte Kormorane, schwarz im trüben Winterdunst, drei Gestalten. Die Mützen tief in die Stirn gezogen, die Hände in den Taschen vergraben, hatten die Alten seinem Treiben zugesehen und schienen darauf gespannt, wie es weitergehen würde.
    »Was glotzt ihr so?«, brüllte Thiel.

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