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Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
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sah er, dass Baring und Möhle immer noch in denselben Häusern wohnten. Nur der Lehrer war umgezogen. In einen der Neubauten am Bodden, die vor fünfzehn Jahren noch nicht dort gestanden hatten.
    Thiel ließ das Haus links liegen. Er fuhr noch das kurze Stück bis zum Westrand des Dorfes, wendete
den Wagen, stellte den Motor ab und öffnete das Fahrerfenster.
    Diesen Rohrbach würde er sich zuerst vornehmen. Gründlich und so lange, bis er den Mund aufmachte.
    Seine Wut hatte endlich ein Ziel.
    Es war, als öffnete sich das Gefängnistor zum zweiten Mal. Als habe er einen zweiten Versuch, der Welt gegenüberzutreten. Diesmal nicht mit der Hoffnung, sie werde sich an einen wie ihn gewöhnen, wenn er nur lange genug die Schnauze hielt.
    Diesmal würde er sich sein Recht holen.
    Koste es, was es wolle.
    Er stieg aus und ging auf das Haus zu. Klingelte und trat nah an die Tür. Wenn sie geöffnet wurde, konnte er blitzschnell seinen Fuß hineinstellen. Aber im Haus rührte sich nichts, und es blieb auch still, als er ein paar Mal gegen die Tür trat.

25
    Befiehl Du Deine Wege
    Thomas Rohrbach zuckte zusammen, als der Gesang einsetzte. Die schrillsten Frauenstimmen zu früh, ein paar unsichere Bässe wie immer zu spät. Aber alle mit Inbrunst.
    Und was Dein Herze kränkt
    Als ob jemals irgendetwas dieses Herz hätte kränken können.
    Rohrbach hob den Kopf und drückte die Schultern nach hinten.
    Der allertreuesten Pflege
    Gott sei Dank, dachte er, übernimmt die jetzt ein anderer.
    Des, der den Himmel lenkt
    Sabine hatte auf den ersten beiden Strophen bestanden. Er hatte sich die letzte gewünscht.
    Mach End’, o Herr mach Ende
    An aller unserer Not
    Ein gewaltiger Berg weißer Lilien auf dem Sarg verhält sich umgekehrt proportional zur Trauer des Sohnes.
    So konnte man es sagen.
    Logik hatte der Alte sehr geschätzt. Je kälter, umso mehr.
    Rohrbach ließ seinen Blick schweifen, ohne den Kopf zu bewegen. Vom Sarg weg hoch ins Gewölbe, durch den Chorraum zum Sakramentsschrein. Zurück zu den Lilien und der Schleife. Schwarze Frakturbuchstaben auf weißem Grund. Ruhe sanft . Ein Palmblatt. Seinen Namen hatte er dort nicht lesen wollen.
    Sonst war alles, wie es sich gehörte.
    Eine Schwiegertochter, die sich mit einem Taschentuchzipfel ab und zu die Augen tupfte.
    Zwei Enkelinnen, die tatsächlich weinten.
    Eine Predigt, in der es um Schiffe in den Stürmen des Lebens ging. Um rettende Häfen und nun in andere Hände gelegte Ruder.
    Rohrbach presste den Rücken gegen die harte Lehne der Kirchbank. Irgendwo hinter ihm saß Ehmke. Rohrbach meinte, seinen Blick im Nacken zu spüren, und wusste, dass ihm dieser Blick nichts mehr anhaben konnte.
    Er schloss die Augen und stellte fest, dass er sich gut fühlte.
    Wie einer, der sich endlich befreit hatte.
    Er hatte viel zu lange damit gewartet. Zu lange für die Erkenntnis gebraucht, dass es im Grunde ganz einfach war.
    Er musste nur auf die Zukunft verzichten. Dann wurde alles leicht. Dann ließ sich tun, was getan werden musste.
    Zum Beispiel den Alten unter die Erde bringen, damit Sabine und die Mädchen ihn nicht am Hals hatten, wenn sie fortgingen. Denn hierbleiben konnten sie nicht. Nicht nach dem, was in den nächsten Tagen geschehen würde.
    Thomas Rohrbach wandte den Kopf. Er betrachtete das Profil seiner Frau und fragte sich, woran sie dachte, während sie regungslos auf den Sarg starrte. Als ob ihn das noch etwas anginge.
    Sie würde zurechtkommen, daran hatte er nicht den geringsten Zweifel. Aber die Mädchen … an sie zu denken, schnürte ihm den Hals zu. Er hätte sie gar nicht zeugen dürfen. Einer wie er taugte nicht zum Vater. Das hätte er damals schon wissen müssen.
    Die Orgel riss ihn aus seinen Gedanken. Es war Zeit, den Alten zu Grabe zu tragen.
     
    In den letzten Tagen hatte es während der Mittagsstunden getaut. Weil aber der Frost der vergangenen Wochen noch im Boden steckte, lag der Aushub in gefrorenen dunklen Brocken an den Seiten der Grube. Bei ihrem Anblick empfand Rohrbach nun doch eine ungewisse Bangigkeit, es könnte jetzt noch jemand Einspruch erheben. Ehmke zum Beispiel, weil er, aus welchem Grund auch immer, Verdacht geschöpft hatte. Oder der Arzt, den im letzten Moment vielleicht Zweifel beschlichen, ob die Ursache für den Tod des Alten so natürlich war, wie es auf dem Totenschein stand. Es ergriff aber niemand das Wort. Hier wurde
ein kranker, alter Mann zu Grabe getragen. Was sollte daran verdächtig sein?
    Der Pastor bemühte

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