Brandfährte (German Edition)
Straße auf und ab und las die Schilder an den Hauseingängen, doch vergeblich. Er fand keine Versicherung. Steenhoff bog in eine der kleinen Seitenstraßen ein, die in den früheren Jahrhunderten mit einer eisernen Pforte versehen waren und nachts abgesperrt wurden. Ein imposantes Gebäude, dessen Front zur Weser zeigte, besaß an dieser Stelle einen kleineren Nebeneingang. Steenhoff blieb wie angenagelt stehen. Die Versicherung teilte sich das mehrstöckige Haus mit einer regionalen Zeitung und einem bekannten Rechtsanwaltsbüro. Es war derselbe große Konzern, bei dem Ira und er nach dem Hauskauf ein paar Versicherungen abgeschlossen hatten.
Einen Moment lang fühlte er sich nah am Ziel. Aber zugleich war er ratlos, wie es weitergehen sollte.
Steenhoff ging zum Wasser zurück, setzte sich auf die Sandsteinstufen und beobachtete ein Binnenschiff, das mühsam gegen den Strom ankämpfte und die Weser hinauffuhr. Er holte sein altes Handy aus der Tasche und suchte im Telefonverzeichnis nach einer Nummer. Tatsächlich! Die Telefonnummer seines Versicherungsagenten war noch eingespeichert.
Der Mann antwortete sofort. Steenhoff machte ihm in wenigen Sätzen klar, um was es ging. Die professionelle Freundlichkeit des Versicherungskaufmanns wich schnell ein paar betroffen hingemurmelten Kommentaren. Aber er sagte zu, im Intranet des Konzerns nach einem Mann mit dem Vornamen Richard zu suchen. «Bis wann brauchen Sie eine Antwort?»
«In der nächsten Viertelstunde.»
Der Mann pfiff leise durch die Zähne. «So dringend?»
«Ja. So dringend.»
Steenhoff setzte sich auf eine der Holzbänke eines Restaurants und bestellte ein Bier. Er beobachtete den Eingang der Versicherung. Er wusste, wie lächerlich das Unterfangen war. Der Mann hatte vor sieben Jahren zuletzt bei der Versicherung gearbeitet. Er konnte inzwischen ganz woanders tätig oder arbeitslos sein. Und was für Beweise hatte er schon gegen diesen Richard in der Hand?
Steenhoff ging in Gedanken noch einmal das Gespräch mit Marlene Senkers durch. «Er war ihr schon richtig lästig», hatte sie gesagt. Dennoch hatte ihr der abgewiesene Mann einen riesigen Kranz auf den Sarg gelegt und eine Traueranzeige geschaltet. Marlene Senkers beschrieb ihn zudem als «manierlich anzusehen». Aber was bewies das schon? Sicher, sie suchten nach einem gut aussehenden Mann mittleren Alters, der seine angebetete, auserwählte Frau gnadenlos verfolgt hatte. Zudem hatte er eine sprachliche Färbung, die ihn als Bremer identifizierte.
Es bewies nichts.
Damit könnte er vielleicht Rüttger und Petersen aufrütteln, aber weder Frehls noch die Staatsanwaltschaft. Das Klingeln seines alten Handys riss ihn aus seinen Gedanken.
«Ja?»
Doch es war nicht der Versicherungsagent, sondern Frehls. Steenhoff stieß einen stummen Fluch aus. Frehls schien ungewöhnlich gut gelaunt und entspannt.
Er bat Steenhoff um Verständnis, dass er ihn noch mal vernehmen müsse, und schlug einen Termin am frühen Abend vor. Plötzlich besann er sich eines anderen, lamentierte über die zeitaufwendigen Reha-Maßnahmen seiner Frau, zu denen er sie jedes Mal fahren müsse, und bat um eine Verschiebung auf den nächsten Tag. Auch Steenhoff gab sich verbindlich. Als Frehls endlich aufgelegt hatte, war er erleichtert.
Wenige Minuten später klingelte es erneut. Diesmal war es das andere Handy. Am anderen Ende war sein Agent.
Es gab insgesamt drei Männer in der Bremer Niederlassung der Versicherung mit dem Vornamen Richard.
«Ein Auszubildender, ein Außendienstmitarbeiter und ein Prokurist.»
«Wie alt?»
«Der Prokurist geht auf die Rente zu», erwiderte der Mann. «Den habe ich schon mehrfach auf Personalversammlungen erlebt.»
«Und der andere Richard, der Außendienstmitarbeiter?»
«Den kenne ich nicht.»
«Wie ist sein Nachname?»
«Mohle.»
Steenhoff überlegte einen Moment lang.
«Können Sie für mich herausfinden, wofür er zuständig ist?»
«Das habe ich schon gemacht», antwortete der Mann stolz. «Herr Mohle ist auf Firmenversicherungen spezialisiert: Betriebshaftpflicht, Maschinen- und Transportversicherungen und Ähnliches. Übrigens ganz erfolgreich. Er ist für seine Abschlüsse schon zweimal betriebsintern ausgezeichnet worden.»
Der Mann stockte.
«Was ist?»
«Bis zum Jahr 2000 war er noch in einem ganz anderen Bereich tätig.» Der Anrufer lachte anerkennend auf. «Das ist wirklich ein Sprung. Ich finde seinen Namen gerade in unserem Firmenarchiv. Herr
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