Brandfährte (German Edition)
holte er sich in der Apotheke ein paar Schlaftabletten. Er musste endlich zur Ruhe kommen.
Am Ende der Woche war er ein Nervenbündel.
Als am Freitag noch immer nichts in der Zeitung stand, rief er bei der Journalistin in der Redaktion an. Doch sie nahm nicht ab.
Das Wochenende strich zäh Stunde um Stunde dahin.
Bald war Weihnachten, Ferienzeit. Vielleicht würden sie ihre Ermittlungsergebnisse erst im Januar vorstellen. Der Gedanke war unerträglich.
Am Dienstagmorgen schließlich entdeckte er wieder das Kürzel der Journalistin auf Seite eins des
Weser Kuriers
. Er riss die Zeitung so heftig vom Tresen des Bäckers herunter, dass die anderen Exemplare zu Boden fielen.
«He, nicht so stürmisch, junger Mann», ermahnte ihn die Verkäuferin halb empört, halb scherzhaft. Ohne sie zu beachten, schlug er die Lokalseiten auf. Doch der Artikel drehte sich um einen alten Mordfall von vor 20 Jahren, der als sogenannter Cold Case neu aufgerollt werden sollte. Enttäuscht legte er die Zeitung wieder weg.
Der strenge Blick der Verkäuferin veranlasste ihn, die Zeitungen am Boden wieder aufzusammeln.
Neun Tage waren vergangen, als Andrea Voss und ihre Kollegen von den anderen Zeitungen endlich wieder berichteten.
In allen Medien war ein neuer, ihm unbekannter Kripobeamter abgebildet, der den Fall des «Findorffer Brandopfers» übernommen hatte und vom Kommissariatsleiter in den höchsten Tönen gelobt wurde. Manfred Rüttger schien einige Jahre älter als Frank Steenhoff zu sein und war ein völlig anderer Typ.
Behäbig, fast gemütlich. Kein ernstzunehmender Gegner, wie Richard Mohle mit einem Blick feststellte.
Aber die Schlussfolgerungen und Hypothesen des Kripobeamten ließen ihn schon nach wenigen Zeilen rot vor Zorn werden.
«Ich habe den Mordfall von Fallanalytikern und Analysten in unserem Haus bewerten lassen. Aus den gesammelten Erkenntnissen kann ich nur zu dem Schluss kommen, dass die junge Frau unterschiedliche Freundschaften pflegte, die uns namentlich noch nicht bekannt sind, die aber von großer Bedeutung sein könnten. Ich rede dabei von Männerbekanntschaften.»
Mohle musste sich beherrschen, die Zeitung nicht in tausend Stücke zu zerreißen.
Ich, ich, ich!
Nichts wusste dieser eitle Gockel von Maike. Nichts!
Er war so aufgebracht, dass er nur mit Mühe den weiteren Sinn der Worte verstand.
«Auf Nachfragen unserer Zeitung erklärte Manfred Rüttger, er könne nicht ausschließen, dass das Opfer zu einigen der Männer auch eine Art flüchtiges, aber durchaus romantisches Liebesverhältnis unterhalten habe. Die Getötete habe möglicherweise nur nach außen ein zurückgezogenes Leben geführt.»
Die Getötete, das Opfer. Warum nannte dieser Rüttger Maike nicht einmal beim Namen! Und warum schüttete der Mann so viel Dreck, so viele Lügen über seine Liebe aus? Sie war so ängstlich und zerbrechlich und dabei so stark und unabhängig gewesen. Maike hatte nicht mehrere Männer um sich herum gebraucht, um sich als Frau bestätigt zu fühlen. Sie wusste von seiner Liebe zu ihr. Das hatte ihr gereicht. Auch wenn sie sich schließlich nicht hatte öffnen können.
Er hasste diesen Rüttger. Ein Gefühl, tiefer und schmerzhafter als das, was er gegenüber Steenhoff je empfunden hatte.
Richard Mohle wusste, was er zu tun hatte.
Der letzte Akt, Maike seine Liebe zu beweisen.
26
Es war ein Leichtes, die Adresse von Manfred Rüttger herauszufinden. Natürlich stand er nicht im Telefonbuch. Aber Richard Mohle nahm an, dass Manfred Rüttger, wie viele Polizeibeamte, Mitglied in der Gewerkschaft oder im Bund Deutscher Kriminalbeamter war.
Ein Anruf bei der Zentralstelle des Berufsverbandes bestätigte seine Vermutung.
Richard Mohle gab sich am Telefon gegenüber der Sekretärin als Pensionärsvertreter des BdK Nordrhein-Westfalen aus. Angeblich hatte er den «Kollegen Rüttger aus Bremen» im Herbst beim Wandern in den Alpen kennengelernt. Auf einer Tagestour seien einmalig schöne Bilder entstanden, die er abgezogen und vergrößert habe und nun dem Kollegen schicken wolle. Immer wieder verlor er im Gespräch mit der Sekretärin scheinbar den Faden und schwärmte von der einzigartigen Natur. Auch die Frau war vor Jahren schon mal mit ihrem Mann in derselben Gegend gewesen und bestätigte lebhaft seine Eindrücke.
«Jetzt habe ich leider die Adresse des Kollegen verloren. Ich wollte ihm so gerne die Abzüge, ein paar persönliche Zeilen und einen Obstler dazu schicken. Sie können
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